Die Ewigen
Entschuldigung meinerseits zu zwei Seiten fällig, auch wenn ich nicht diejenige gewesen war, die mit diesem Thema angefangen hatte. Ciaran war indes noch erschöpfter als Magnus, Jackson und ich: Er und Shane hatten die Aufsicht über die Verfolgung des Priesters vor einer halben Stunde für die Tagesschicht an Andreas und Josie übergeben und würden sich nun auch hinlegen können. Während er mit müder Miene seinen völlig überzuckerten Tee trank, brachte Ciaran uns noch auf den aktuellen Stand: Giuseppe sei langsam nach Norden gefahren, bis etwa in die Toskana, dort habe er sich ein kleines Hotel neben der Autobahn gesucht und sei schlafen gegangen, Ffion habe als letztes gemeldet, dass er aufgestanden sei und im Frühstücksraum bedächtig seinen Kaffee trinken würde. Diese langsame Reise des Priesters nach Norden und sein demonstrativ entspannter Aufenthalt im Hotel erinnerten mich frappant an selbigen von Drake in dem Hotel nahe der Burg - wahrscheinlich hatte dieser Giuseppe genau instruiert und war wenig kreativ, wenn es um Verhalten unter erwarteter oder bemerkter Beobachtung ging. Ich fragte Ciaran nach Gerard, als Davide nach einem leisen, zögernden Klopfen in die Küche kam: Gerard sei auf seinem Zimmer, flüsterte Ciaran mir zu, und würde dort auch bleiben, bis er mit Davide aufbrechen müsse. Ich nickte: Ich würde hinauf gehen, bevor er herunter kam - mir war nicht nach einer weiteren Begegnung, vielen Dank.
Jackson ging mit Davide nach dem Frühstück hinaus auf den Hof, um von Angesicht zu Angesicht wegen seines Ausflugs nach Rom mit ihm zu sprechen, ich folgte den beiden und lehnte mich für eine Zigarette gegen Davides Auto. Der Junge sah auch nicht wirklich ausgeschlafen aus, wirkte aber gefasster als gestern Abend - nein: er war tatsächlich gefasster als gestern Abend, wenn ich denn seinen körperlichen Zustand als Gradmesser nehmen konnte: Er hatte überrascht die Augen hochgezogen und seine wahrscheinlich leicht tauben Lippen betastet, als er mich eben in der Küche zur Begrüßung auf die Wange geküsst und dabei zum ersten Mal mein erschöpftes Prickeln gespürt hatte.
"Ich bin total fertig", hatte ich zur Erklärung gesagt - eine Aussage, die mein Äußeres wohl stützte, denn jetzt schoss sein besorgter Blick immer wieder zu mir hinüber. Ich sah nicht besonders gut aus heute Morgen, das wusste ich dank eines ebenso kritischen wie ausführlichen Blicks in den Spiegel: Blaue Schatten unter farblosen Augen, fahle Haut und definitiv ein Bad-Hair-Day. Aber auch unabhängig von der schlaflosen Nacht war ich bei Lichte besehen körperlich in keiner guten Verfassung: Meine Rippen zeichneten sich deutlich unter der Haut ab, die durchs Laufen und Schwimmen mühsam aufgebauten Muskeln waren verschwunden, aufgebraucht bei den Sitzungen mit Shane und den Kindern in den Krankenhäusern. Ich konnte nun immerhin verstehen, warum alle ständig versuchten, mich zu füttern: Den Anblick meiner spitzen Rippen und der abgemagerten Oberschenkel fand ich selber unerträglich, das war nicht mehr schlank, das war ... krank. Was hatte Maggie gesagt, als wir im Schwimmbad der Burg Frieden geschlossen hatten? 'Wenn einen der eigene Anblick im Spiegel ankotzt, sollte man wohl mal was tun' - absolut richtig. Ich hatte also heute Morgen zwei Vollkorn-Brötchen gegessen, dick mit Butter und Marmelade bestrichen - jetzt war mir zwar übel, aber ich fühlte mich auf dem richtigen Weg.
"Halt ihre Hand, wenn du helfen willst", sagte Jackson gerade, Davide kam brav zu mir hinüber - also lehnte ich an einem warmen Morgen in Rom an einem schwarzen Alfa mit frechen, weißen Streifen, hatte in der einen Hand die eigentlich verbotene Zigarette und in der anderen die fest zupackenden Finger meines fast erwachsenen Adoptivsohnes, während Jackson uns mit vor der Brust verschränkten Armen gegenüberstand und Davide eine Rede über Verantwortung und Pflicht hielt, die sich gewaschen hatte.
Ich verstärkte den Druck auf Davides Hand, während er neben mir zu einem Häufchen aus Scham und Reue zusammenschrumpfte, doch wahrscheinlich half ihm mein Trost wenig, zog doch meine Müdigkeit ihm schon mehr Energie ab, als er in seinem schmalen Körper nach zwei schwierigen und einsamen Tagen übrig hatte.
"Du schuldest uns vor allem Gehorsam, vergiss das bitte niemals", brachte Jackson seine Standpauke zu Ende. "Wir werden dir nichts auftragen, dass du nicht mit gutem und reinem Gewissen tun kannst, wenn du im Zweifel bist,
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