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Die Ewigen

Die Ewigen

Titel: Die Ewigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Sabalat
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keinen Scheiß", sagte sie ungewohnt scharf, dann wurde ihre Stimme milder. "Ich verstehe, dass du das so siehst, aber das ist nicht wahr."
    Ihre Finger streiften meine Hand, als sie mir den nachgefüllten Becher reichte und ich spürte ohne Vorwarnung, wie ihr fröhlich rauschender Gebirgsbach gegen eine steile, hohe Canyonwand prallte. Es fühlte sich an, als führe man mit dem Auto gegen eine Mauer oder rannte mit dem Kopf gegen die Wand - erschreckend, hart, schmerzhaft. Woher kam die Wand? Bislang hatte nichts den fröhlichen Fluss von Josies Gebirgsbach gestört, war sie unbeschwert von Stein zu Stein gehüpft und hatte sich munter in größere und kleinere Abgründe gestürzt. Die Wand ist Drake, reimte ich mir in meinem noch ein wenig fieberverwirrten Gehirn zusammen und griff ohne zu fragen nach ihrer Hand, um diese Szene genauer sehen zu können. Ja, wirklich eine Wand - grau und starr und dick: Sie stoppte Josies Bach, ihr Wasser brandete mit aller Kraft dagegen, war aber zu schwach, um sie einreißen oder mit purer Masse überwinden zu können.
    "Drake ... belastet dich sehr, oder? Er macht dir Angst?", fragte ich Josie. Die war unter meiner Berührung erstarrt und sah mich jetzt erstaunt an. "Du willst, dass er stirbt?", fragte ich weiter, sie nickte zögernd und blickte hinunter auf unsere verschränkten Hände.
    "Ja. Ich hasse ihn und ich will, dass er stirbt."
    "Dass er sterblich wird?", versuchte ich, ihre Aussage zu präzisieren wie auch zu relativieren, doch Josie schüttelte bestimmt den Kopf.
    "Nein. Dass er stirbt. Sofort."
    Ich verstand den Unterschied und ein leichter Schauer kitzelte mich am Rückgrat.
    "Du kribbelst wieder", sagte Josie erstaunt, dann legte sich ein Lächeln auf ihr müdes Gesicht. "Ich hole dir Jackson, ja? Er schläft draußen auf dem Sofa und er wird sich so freuen, dass es dir besser geht."
    Ja, das wäre schön, dachte ich, doch ich gab ihre Hand noch nicht frei.
    "Ich konnte ihn dort nicht sterben lassen", sagte ich. "Schon auf ihn zu schießen war schlimm ... ich hätte nie gedacht, dass das wirklich so schwer ist - und ich wusste ja sogar schon, dass er das überleben würde. Du ... jagst ein Stück glühendes Metall in lebendiges menschliches Fleisch, zerfetzt es ... allein das Geräusch, dieses dumpfe, massive, feuchte Geräusch ist schrecklich."
    Josie nickte langsam, aber ich sah, dass sie damit nicht zufrieden war.
    "Hast du mit Shane darüber gesprochen?", fragte ich, sie schüttelte zögernd den Kopf.
    "Nein. Aber er sieht das anders, das weiß ich. Er kann verzeihen, er ist ... ein viel besserer Mensch als ich. Ich wünschte mir, du hättest Drake verrecken lassen, einfach verrecken. Dann wären wir ihn endlich los."
    Sie erhob sich und machte damit klar, dass dieses Gespräch hier zu Ende war. Ich ließ ihre Hand fahren, betrachtete meine Finger - und das brachte mich auf ein neues Problem.
    "Sag mal: Kannst du mir Handschuhe besorgen?"
    Josie befeuchtete das Tuch neu: Es fühlte sich erfrischend an, als es wieder auf meiner Stirn lag, schickte keine eisigen Nadelstiche mehr in meinen Kopf und ich wusste, dass ich wieder mal etwas überstanden hatte - was auch immer es gewesen war, dass mich einen Tag und eine halbe Nacht mit angsterfüllten Träumen und zitternden Gliedern ans Bett gefesselt hatte.
    "Handschuhe?"
    "Ja. Dünne, aus Baumwolle oder Leder. Damit ich nicht dauernd ... allen Leuten ungefragt in den Kopf schaue und dann dumme Fragen stelle. Wie dir eben."
    Josie lachte besänftigt und nickte, akzeptierte meine indirekte Entschuldigung.
    "Ja, gerne. Welche Farben willst du?"
    Ich ließ mich erschöpft nach unten rutschen, das aufrechte Sitzen war dann doch noch ein wenig zu anstrengend.
    "Alle. Ich will alle Farben."

5.3 Shara Josie hatte wie versprochen noch in der Nacht Jackson zu mir geschickt und ich hatte seine Erleichterung darüber, dass ich wieder wach und vor allem wieder klar im Kopf war, in zahllosen Blitzen auf der strahlend blauen Oberfläche seines Ozeans gespürt: Er zog mich an sich und umklammerte mich, als habe er Angst, ich würde ihm sonst wieder in ferne Fiebersphären entschweben, in die er mir nicht folgen konnte, und stellte mir zögernd vorsichtige Fragen über meine Erinnerungen an den blutigen Alptraum des gestrigen Tages.
    Ich erinnerte mich an alles, stellte sich schnell heraus, aber der Traum weckte keine Angst mehr in mir. Er war nicht so kryptisch gewesen, dass ich Hilfe bei seiner Entschlüsselung brauchte, auch

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