Die Ewigen
plätscherte ein Wasserfall. Es gab nur diesen einen Zufluss, der Wasserfall füllte das Becken - langsam, aber stetig, und genau diesen Wasserfall hatte ich schon mal gesehen ... Shane ist das Becken, erkannte ich, Josie ist der Wasserfall. Der eine füllt das andere, das eine bietet dem anderen Raum - ein Geben und ein Nehmen, eine beneidenswerte Symbiose.
"Du liebst sie sehr, nicht wahr?", flüsterte ich und Shane wusste, wen ich meinte.
"Ja. Mehr als alles andere auf der Welt. Sie ist mein Leben."
Ich nickte. "Das ist wahr, ich kann es sehen. Und du siehst sie genau so, wie ich sie sehe, wenn ich sie berühre: Du hast erkannt, wie sie wirklich ist. Aber du musst auf sie aufpassen, du musst mit ihr reden: Drake macht ihr zu schaffen, sie hat wahnsinnige Angst vor ihm."
Shane sah auf unsere Hände hinunter, dann musterte er mich fragend.
"Wie sieht das für dich aus?"
Ich hielt seine Hand fest und beschrieb ihm so detailreich wie möglich das tiefe Becken sowie den plätschernden Wasserfall, außerdem die graue Mauer, die ich in Josie gefunden hatte und die sie nun daran hinderte, ihren Weg in Shanes See fortzusetzen. Und während Shane schweigend über meine Worte nachdachte und mir bereitwillig von seiner Energie abgab, schlief ich wieder ein.
Magnus
Ich sollte um sieben bei der kranken Prinzessin erscheinen, um ihr ein bisschen was von meiner Kraft zu spenden - Ciaran hatte einen Stundenplan ausgearbeitet und mit bedeutsamem Blick auf die Uhr um halb sieben an meine Tür gepocht, um sicherzustellen, dass ich auch pünktlich und vorzeigbar am Krankenbett erscheinen würde.
Allerdings schien Shara schon wieder auf dem Damm zu sein, als ich frisch geduscht und unendlich froh über ihre Bereitwilligkeit zur Energieaufnahme an ihre Tür klopfte: Sie hatte ein bisschen Farbe im Gesicht, lächelte müde und winkte Shane nach, der mit einem seltsam weltentrückten Gesichtsausdruck an mir vorbei aus dem Schlafzimmer schlüpfte. Ich verschmähte den Stuhl neben dem Bett und ließ mich ohne große Umstände neben ihr nieder, klopfte mir eines der unzähligen Kissen zurecht und streckte mich aus. Sie wickelte sich in ihre Decke und lehnte sich so keusch gepolstert an mich - ein wenig schläfrig noch, aber spürbar normal temperiert.
"Vorsicht", flüsterte sie, als ich meinen Arm um ihre bloßen Schultern legte.
Ich musste lachen - meinte sie ihr Gefühllesezeug? "Dein Risiko, nicht meins", gab ich zurück, erntete dafür einen erstaunten Blick.
"So kann man das auch sehen", sagte Shara nach einer Weile und ich verstand, dass sie nur daran gedacht hatte, dass sie andere mit ihrer neuesten Gabe verletzten konnte - dass sie damit auch ungefragt einen ziemlichen Batzen ungefilterten Seelenmist erfuhr, hatte sie natürlich total verdrängt: Nobel, aber naiv, wie Prinzessinnen nun mal so waren.
"Du kribbelst kaum noch", diagnostizierte ich, während sie ihren Kopf auf meine Schulter legte.
"Ich weiß. Du kannst gern gehen, wenn du willst."
So hatte ich das nicht gemeint und schüttelte bestimmt den Kopf.
"Nein, die Gelegenheit muss ich ausnutzen. Wann darf ich schon mal in deinem Bett liegen und Jack kann nichts dagegen sagen?"
Shara kicherte, ich drückte sie ein bisschen fester an mich. Ein leichtes Prickeln im Magen erinnerte mich an den Kuss, den ich auf ihre leblosen Lippen gehaucht hatte und ich war kurz versucht, ihr das zu beichten, besann mich dann aber eines Besseren: Ich hätte nicht sagen können, ob Jack da auf dem Sofa wirklich schlief - konnte er mein Geständnis hören, würde er mich im Nullkommanichts rauswerfen, und das wäre doch zu schade.
"Wann ist Josephs Beerdigung?", flüsterte Shara jetzt, was mich abrupt von meiner verträumten Erinnerung an ihren fiebrigen Honigmund ablenkte.
"Um sechs Uhr, heute Abend."
"Und wie ... läuft das ab?"
"Wir tragen den Sarg aus der Kapelle zum Grab. Andreas und Ciaran sagen was - wir können auch sprechen, wenn wir wollen. Das Grab wird wieder zugeschaufelt, wir stellen ein Kreuz auf und legen Blumen drauf. Anschließend gibt es im Saal ein Essen."
Das war eine sehr knappe und kalte Zusammenfassung, aber Shara schien es zu reichen. Sie schwieg ein paar Minuten, ihr Rücken hob und senkte sich leicht bebend unter meinem Arm.
"Ich glaube, ich kann da nichts sagen", flüsterte sie schließlich und ich hörte, dass ihre Stimme belegt und ein wenig kratzig klang.
Ich küsste sie auf die Goldhaare, sie schlang einen Arm um meinen Hals - ich war mir nicht
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