Die Ewigen
schon gelohnt, dachte ich am Montag Mittag, als ich meinen 'freien Tag' genoss und inmitten von entspannten und normalsterblichen Menschen allein durch Travestere schlenderte.
Der Rundgang mit Ciaran durch die Engelsburg am Abend zuvor war sehr nett gewesen: Er hatte der streng aussehenden Dame am Eingang mit einer charmanten Verbeugung die Hand geschüttelt und mit ihr geschwatzt, als seien sie alte Bekannte, hatte mich durch uralte, ausgetretene Gänge zu den Mausoleen geführt, mich auf besonders schöne Deckengemälde aufmerksam gemacht, aus kleinen Fenstern über den Fluss auf die Stadt schauen lassen und dabei äußerst interessant über seine Jahrhunderte lange Tätigkeit als Arzt geplaudert, die mit essiggetränkten Schwämmen während der großen Pestepidemien begonnen hatte. Er hatte mich mit Geschichten aus der Zeit unterhalten, als der Vatikan dem Orden die Engelsburg als Unterpfand für ein Darlehen überlassen hatte und mich mit der sehr anschaulichen Beschreibung des vergeblichen Versuchs amüsiert, dieses Grabmal bewohnbar zu machen. Man habe dann die Burg gegen das Grundstück getauscht, auf dem jetzt das graue Haus stand, hatte er erzählt, aber mit dem Engel auf dem Dach doch noch einen kleinen Stempel hinterlassen.
"Ich dachte, da hätte vorher schon einer gestanden? Aus Stein? Jackson hat da was erwähnt ... ", hatte ich gefragt, Ciaran hatte mich daraufhin zu einem kleinen Innenhof geführt, in dem eine arg ramponiert aussehende Marmorstatue stand.
"Das hier ist der ursprüngliche Engel, etwa um das Jahr 600 auf der Burg aufgestellt - zu dem Zeitpunkt bekam die Burg auch ihren Namen. Wir haben ihn hier her geschafft und den neuen Engel aus Bronze anfertigen lassen. Der alte Engel war damals schon etwas kaputt, aber es ging uns vor allem um das Schwert - es sollte unser Schwert sein, nicht irgendeins."
Er hatte verschmitzt gelacht, während er mir erzählte, wie die Kirchenoberen sich über die ach so befriedende Schwertgeste der neuen Statue gefreut hätten, und ich war vor allem erstaunt drüber gewesen, wie Ciaran sich über diese enorme Lebenszeit ein solch jungenhaftes Wesen bewahrt hatte: Nichts an ihm erweckte den Eindruck, als sei er über achthundert Jahre alt. Er war weder altklug noch allwissend, blickte mit unstillbarer Neugierde in die Welt und (das größte Wunder von allen!) fand scheinbar nichts von dem, was ich sagte, langweilig oder banal. Er war ein angenehmer Begleiter gewesen, und ich hatte mich bei dem Gedanken ertappt, dass ich meinen vertrockneten Hausarzt gern gegen ihn getauscht hätte: Mit seinen klugen Veilchenaugen, seinem sauberen Duft nach Lavendel und den kühlen Händen wirkte Ciaran einfach vertrauenswürdig, souverän und einfühlsam. Wir gingen beiläufig vom 'Sie' zum 'Du' über, und damit fühlte ich mich endlich auch unter den Ordensmeistern ein wenig wohler.
Ciaran hatte Jackson und Magnus nach Hause geschickt, als er mich am Tor der Engelsburg in Empfang genommen hatte, nach unserem entspannten Rundgang hatte er mich zu meinem Hotel zurückbegleitet und mir freundlich eine gute Nacht gewünscht. Ich hatte ihm aufrichtig für den interessanten Abend gedankt und war früh schlafen gegangen, da ich vor sieben von Jackson in den Vatikan gefahren werden sollte: Der schöne Kreuzritter hatte mich gebeten, meinen Personalausweis mitzunehmen und mich dann am sehr profanen Eingang der Heiligen Stadt abgeliefert, wo mich ein wortkarger älterer Priester nach einer kurzen Inspektion meines Passes und meiner Tasche durch einen Schweizer Gardisten mit schnellen Schritten durch endlose, verlassene und überaus eindrucksvolle Gänge geführt hatte. Ich war an riesigen Globen vorbei gekommen, hatte mit einem Auge alte Landkarten von enormer Größe bewundert, antike Vasen unbeachtet lassen müssen und auch für farbenfrohe Mosaike und die prachtvolle Architektur hatte ich keine Sekunde übrig gehabt. Der Priester hatte mir nach gefühlten drei bis vier Kilometern eine kleine Pforte geöffnet, mich über die Schwelle der Sixtinischen Kapelle geschoben und sich dann in der Tür postiert, als wolle er mir den Fluchtweg abschneiden. Ich hatte mir einen steifen Hals geholt bei dem Versuch, nicht nur die in jeder zweiten Wohnung als Kunstdruck hängende Schöpfungsszene, sondern auch alle anderen größeren und kleineren Wandgemälde zu würdigen, dann war ich auch schon im gleichen Eiltempo auf einem nur unwesentlich kürzeren Weg zurück zum Tor geführt worden und
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