Die Ewigen
selbstständig arbeitet", antwortete Shane auf Ciarans Frage. "Sie macht mal eine Woche Wellness auf einer Mittelmeer-Insel, dann ein paar Tage Wandern in den Dolomiten. Sie war zwei Wochen in Marokko, ist eine Woche auf einem Kamel durch die tunesische Sahara geritten und war drei Wochen in Ägypten, da hat sie so ziemlich jede Hieroglyphe fotografiert, die jemals in Stein gemeißelt wurde. Außerdem diverse Städtereisen: New York, San Francisco, London, Barcelona, Wien, Florenz. Eine kleine Tour durch die Schweiz, ein paar Wochenenden am Gardasee, wie schon erwähnt Spanien und Portugal, dazu fast alle deutschen Nordseeinseln - das Meer scheint es ihr besonders angetan zu haben, sie hat eine Sammlung mit Muscheln und Strandkieseln, die sich sehen lassen kann. Momentan hab ich Kataloge für Asien bei ihr gefunden, mit Markierungen bei Rundreisen durch Japan, Thailand und China, aber gebucht war da laut Konto noch nichts. Fahren tut sie meist allein, manchmal mit Arbeitskollegen oder Bekannten wie dem Mädchen von der Uni - aber meist bleibt es bei einem Mal. Die Tour durch Ägypten, die Sahara und Marokko war mit einer Reisegruppe, da hatte sie jeweils ein Doppelzimmer oder ein Kamel für sich allein."
"Dromedar", warf Josie ein, "Kamele gibt's in nur in Asien."
Shane rollte mit den Augen, aber wo Josie Recht hatte, hatte Josie Recht: Mit Getier kannte sie sich aus, keine Ahnung, warum und wieso.
"Wie schaut es mit Alkohol oder Drogen aus? Auffällige Medikamente - Schlaftabletten, Aufputschmittel?"
Shane lehnte sich in seinem Stuhl zurück und schloss konzentriert die Augen.
"Alkohol ... im Kühlschrank war eine halbleere Flasche Weißwein, in einem Regal gab es noch eine Flasche Rotwein - das war's, nichts Härteres. An Medikamenten ist mir nichts aufgefallen - nur Kopfschmerztabletten, ein paar Creme-Tuben gegen Sonnenbrand und Mückenstiche. Reichlich Kaugummis gegen Reisekrankheit, auf Turbulenzen oder schwankende Schiffe scheint sie nicht so zu stehen. Drogen ... keine Hinweise, aber sie raucht, auf dem Balkon stand ein benutzter Aschenbecher."
"Gab es was bei der Polizei?", ließ sich Andreas vernehmen, Josie schüttelte den Kopf.
"Der erwähnte Autounfall und ein paar Punkte in der Verkehrssünder-Kartei, da hat sie wohl ihr Auto mal ausgefahren und durfte dann ein bisschen Busfahren, zur Buße. Die Sache mit dem Kneipenwirt natürlich - und einmal war sie als Zeugin bei einem harmlosen Auffahrunfall genannt. Das war's."
"Wenn es schon keine engen Familienbande gibt: Hat sie Freunde, die sie vermissen würden?"
Shane antwortete Andreas, wenn auch zögernd. "Ich würde sagen: Nein, aber ohne Gewähr. Sie hat die Daten von ihrem Handy auf dem Computer gesichert und da gibt es schon jede Menge Adress-Einträge - von denen aber ziemlich viele beruflich aussehen. In ihrem Terminkalender waren auch nur berufliche Sachen eingetragen ... Auf ihrem Anrufbeantworter war allerdings die Nachricht von einer Frau, sie solle sich doch wegen Essen gehen melden - also ... Bekannte ja, aber wohl keine sehr engen Freunde."
Apropos Essen: Ich warf einen Blick auf meine Uhr. Es war fünf, in einer Stunde sollten Jack und ich Shara abholen.
Andreas hatte meinen Blick bemerkt. "Lasst uns jetzt zusammenfassen oder einschätzen, wen wir da vor uns haben. Shane und Josie fangen an, alle anderen ergänzen bitte."
"Soll ich?", fragte Josie Shane, der nickte - er nickte eigentlich zu allem, was Josie sagte, aber was blieb ihm auch anderes übrig: Ihre Fragen waren eh meist rhetorisch.
"Okay. Also: Sie hat keinen familiären Anhang, der sie davon abhalten könnte, bei uns zu bleiben - das ist natürlich schon mal gut. Sehr wahrscheinlich gibt es keinen aktuellen Liebhaber, der sie vermissen würde, keine Busenfreundin, die morgen sofort Alarm macht, wenn Shara nicht zum Kaffeeklatsch erscheint. Sie ist frei und ungebunden, scheinbar auf eigenen Wunsch, wenn ich sie da richtig einschätze. Ansonsten: Sie ist sehr intelligent, belesen und gebildet. Sie ist unabhängig und selbstbewusst, ohne zu sehr von sich selbst eingenommen zu sein - es sei denn, man reizt sie, dann wird sie arrogant und lässt ihrer scharfen Zunge freien Lauf. Sie legt Wert auf ihre persönliche Freiheit und schützt ihre Privatsphäre ziemlich stark - sie sollte besser nie erfahren, was wir hier und heute gemacht haben, das würde sie ziemlich wütend machen. Sie handelt planvoll und überlegt, hat keine Probleme damit, einen Schnitt zu machen und etwas
Weitere Kostenlose Bücher