Die fabelhaften 12 - Die Mission: Band 2 (German Edition)

würde er mit sich leben können, wenn Stefan seinetwegen starb? Diese Angst war keine Phobie. Sie war anders. Dunkler, mehr magenumdrehend und weniger Panik auslösend.
    Xiaos Vater steckte die Spitze seiner Kralle direkt in das Loch.
    »Sie werden ihn töten!«, schrie Jarrah.
    Die großen Strandballaugen des Drachen, mit waagrechten Schlitzen, die Mack an Katzenaugen erinnerten – und in die gut und gerne eine ausgewachsene Katze passen würde –, schnellten zu Jarrah.
    »Ruhe, Mädchen«, sagte der Drache, wieder mit dieser gewaltigen Stimme, welche bewirkte, dass Jarrah und Mack entschieden, einfach still stehen zu bleiben, bis man sie ansprach.
    Die Kralle des Drachen tauchte tief in die Wunde.
    Blut quoll an den Rändern empor.
    Dann wurde die Klaue langsam, langsam herausgezogen. Sie glitt ohne eine Spur Blut heraus. Und als sie ganz draußen war, war Stefans Brust trocken und heil, abgesehen von einer kleinen rosa Narbe.
    Die Narbe hatte die Form eines chinesischen Schriftzeichens.
    Xiao lachte, und der riesige Drache zeigte so etwas wie ein Lächeln oder eine wütende Grimasse – das ließ sich schwer sagen.
    »Das Schriftzeichen bedeutet ›glücklich‹«, erklärte Xiao.
    Stefans Augen öffneten sich. Er sah zum größten Lebewesen auf, das er je erblicken würde. Aus diesem Grund sagte er mit Entsetzen und Verwunderung, offenbar überwältigt von seinen Gefühlen: »Huh.«
    Dann sprang er auf, betrachtete die Narbe und sagte: »Cool. Besser als ein Tattoo.«
    Jarrah eilte hinüber und umarmte ihn schnell. Die Umarmung machte beide verlegen, sie und Stefan. Und Mack.
    »Also, was hat das zu bedeuten, wir würden getötet?«, fragte Mack Xiao. »Das war ein Witz, oder?«
    Aus ihrer Miene konnte man nicht so recht schlau werden. Drachen sind undurchschaubar, milde gesagt. »Darüber reden wir noch«, sagte sie geheimnisvoll. »Jetzt geht es erst einmal nach Hause. Ich nehme dich, Mack. Mein Vater trägt Jarrah und Stefan.«
    Papa Drache schloss eine Riesenhand – oder was auch immer es war – um Jarrah und die andere um Stefan, dann erhob er sich ohne irgendein Anzeichen von Anstrengung und glitt in die Lüfte.
    Für Xiao war die Sache nicht so leicht. Ihre Klauen waren nicht so riesig.
    »Klettere auf meinen Rücken«, wies sie Mack an.
    Mack sagte: »Um … uh …« und andere besonders intelligente Dinge. Er war nicht einmal mit einem weiblichen Wesen auf einem Schulball gewesen. Aber er tat schließlich, was man von ihm verlangte, und schaffte es, auf Xiaos Rücken zu grätschen.
    Sie fühlte sich nicht schleimig an. Nicht, dass er besonders feste Ansichten dazu hatte, wie sich Drachen anfühlen müssten. Aber er war trotzdem überrascht, dass die Schuppen trocken waren. Sie fühlten sich ein bisschen an wie dicke Blätter. Als wenn sie aus lebendem Gewebe wären, aber auch aus Plastik sein könnten.
    Unter den Schuppen lagen sehnige Muskeln.
    »Halt dich an meinen Hörnern fest«, sagte Xiao.
    Ihre Hörner waren kleiner als die ihres Vaters und gezwirbelt wie Softeishäubchen.
    Mack hielt sich an Xiaos Hörnern fest. Er presste die Knie zusammen. Er erwog, die Augen zu schließen, dann dachte er aber: Nein, das wäre dumm. Besser man wusste, wenn sie in irgendwas hineinkrachte.
    Und dann, ohne Mühe und ohne das kleinste Ächzen, glitt Xiao ganz einfach von der Rampe. In einer geschwungenen Kurve ging es nach oben, und Mack fühlte sich daran erinnert, wie sich die Klapperschlangen draußen in der Wüste von Arizona durch den Sand schlängelten.
    In Sekundenschnelle waren sie auf halber Höhe der blau bemalten Decke, auf einem Pfad, der gerade unterhalb des lichtgefüllten Kessels vorbeiführte.

13
    D er Palast – es schien der größte der neun zu sein – war ein ganz schöner Brocken.
    Er sah ein bisschen so aus wie die Paläste in der Verbotenen Stadt, aber so, als habe er Originalgröße und die Paläste der Verbotenen Stadt seien ein Miniaturmodell.
    Er war groß. Mack hatte mal die Diamondbacks im Chase-Field-Stadion in Phoenix spielen sehen. Von der Kategorie war der Palast.
    Anders als Chase Field war der Palast rot. Rot von außen, rot und golden innen. Kein Goldanstrich, wie Mack erst vermutete, sondern aus echtem Gold. Goldene Stühle, goldene Lampen und goldener Zierrat.
    Sie wurden in einem Raum abgestellt, der solche Ausmaße besaß, dass ein Flugzeugträger auf dem blank gescheuerten Boden hätte parken können. Auf einem Podest am anderen Ende des Saals stand ein Thron.
    Xiaos