Die facebook-Falle
seinem Vorgänger, dem »Social Graph«, erklären. Stellen wir uns vor, alle unsere »Freunde«, das heißt unsere sozialen Kontakte in einem digitalen Netzwerk, erschienen, durch Linien miteinander verbunden, nebeneinander auf einem Blatt Papier. Das Ganze ergäbe ein soziales Diagramm unseres Beziehungsgeflechts. Fügt man noch die Eigenschaften und Informationen, die wir uns selbst und unsere Freunde unserer Person zuordnen, hinzu, entsteht ein kleines persönliches Universum
unserer Identitäten. Das »Social Graph« zeichnet ein aussagekräftiges Bild unserer Persönlichkeit.
Diese Sozialbeziehungen spielten sich in den ersten Jahren von Facebook ausschließlich innerhalb des Netzwerks ab. Wer zum Beispiel ein neues Handy schön fand, teilte das seinen Freunden mit oder auch nicht. Das war schlecht für das Unternehmen Facebook und seine Werbepartner, welche die Sozialbeziehungen der Facebook-Nutzer nicht in gewünschter Weise für kommerzielle Zwecke nutzen konnten. Es mussten Möglichkeiten geschaffen werden, ihre sonstigen Bewegungen im Internet in das Facebook-Netzwerk zu integrieren, um mehr über die Nutzer herauszufinden.
Und genau diesen revolutionären Schritt verkündete Mark Zuckerberg am 21. April 2010 mit dem »Open Graph«. Statt lediglich unsere Beziehungen innerhalb des Netzwerks zu managen, sollen künftig auch jene Websites in das Programm integriert werden, die wir außerhalb von Facebook doch besuchen. So einfach die Idee ist, verschafft sie Facebook eine unglaubliche Expansionsmöglichkeit, weil künftig Millionen bislang unabhängig agierender Websites und E-Mail-Provider barrierefrei mit den Facebook-Servern verbunden sein werden. Niemand, so Zuckerberg, brauche dann noch unterschiedliche Passwörter, eine einzige Erlaubnis reiche aus: »Jedermann ist vernetzt.«
Was Zuckerberg und sein Konzern planen, ist eine Art Weltgedächtnis in Echtzeit, die absolute Durchdringung jeglicher menschlicher Aktivitäten im weltweiten Netz. Niemand soll Facebook mehr verlassen müssen, wenn er im Internet surfen möchte. Aus Facebook soll das Fenster
zum Internet werden, an dem eines Tages niemand mehr vorbeikommt. Was wir einander berichten, wofür wir uns interessieren, an wen wir unsere Botschaften richten und was die Empfänger unserer Botschaften ihrerseits interessiert, ihre Vorlieben und ihre Kommunikation, all das soll vernetzt werden. So entsteht eine Matrix, eine Parallelwelt, und deren globaler Community-Manager heißt Mark Zuckerberg.
Der 26-jährige ist laut Forbes Magazine der jüngste Milliardär der Welt. Der Wert des nicht börsennotierten Unternehmens wird seit Jahren mit 10-15 Milliarden Dollar veranschlagt. Zuckerberg selbst hält etwa 24 Prozent der Anteile. Nimmt man die Meldungen aus dem Facebook-Hauptquartier vom Spätsommer 2010 ernst, dann ist das Netzwerk sogar mehr als 33,7 Milliarden Dollar wert und rangiert damit vor Internetriesen wie eBay und Yahoo. 42 Zuckerbergs Privatvermögen wurde im September 2010 auf 6,9 Milliarden Dollar geschätzt – womit er sogar Apple-Gründer Steve Jobs abgehängt hat. 43
Worauf gründet sich der Erfolg von Facebook? Welches sind die Mechanismen einer Welt, die aus technischer Begeisterung entstanden ist und ohne die maximale Monetarisierung nicht weiterbestehen könnte?
Beginnen wir mit der technischen Expansion, der vielleicht wichtigsten Säule des Facebook-Erfolges. Im Gegensatz zur geschlossenen Welt des Apple-Konzerns, einer Art Blackbox, deren immer neue technische Errungenschaften wir kaufen mögen oder auch nicht, geht Facebook anders vor. Das Netzwerk greift weltweit auf Hunderttausende externer Programmierer zurück, die in den offenen Programmierseiten
mithelfen, die Plattform funktional und simpel zu halten. Es ist diese Offenheit, die den Wettbewerb der Entwickler fördert und hilft, Fehler frühzeitig zu erkennen. So ist auch der technische Entstehungsprozess bei Facebook »sozial«, was jedoch nicht heißt, dass dieses Unternehmen hinsichtlich der Algorithmen seiner Datenspeicherung, der insgeheimen Vernetzung immer neuer Ebenen des menschlichen Zusammenlebens besonders transparent wäre (siehe dazu Kap. 2 »Wir bezahlen mit unseren Daten«).
Was einst als Studenten-Netzwerk begann, ist heute ein milliardenschwerer Konzern mit 500 Millionen angemeldeten Nutzern (Stand: Mitte 2010) und einer Expansions-und Innovationskraft, von der selbst Netzgigant Nummer eins Google nur träumen kann. Längst haben Mark Zuckerberg und
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