Die facebook-Falle
»Es ist unser Internet und nicht ihres. Wir als User sollten bestimmen, wie das Internet aussehen soll. Schließlich sitzen wir im Internet und nicht die.«
Internet = Facebook?
Aber kein Konzern arbeitet so beharrlich an seiner eigenen Ausbreitung im Internet wie Facebook. Ende September 2010 meldete Focus Online : »Facebook will mit Skype telefonierien. « 75 Das US-Technologie-Blog »All Things Digital« berichtet, Facebook wolle seinen Nutzern künftig auch Telefonate über das Internet ermöglichen und daher mit dem Internet-Telefonie-Spezialisten Skype kooperieren. Die Integration eines Dienstes wie Skype wäre gigantisch, verfügt Skype doch über 560 Millionen registrierte Nutzer weltweit. Mitte November 2010 präsentierte Mark Zuckerberg
außerdem das bislang unter dem Titel »Facebook-Titan« geheimgehaltene Projekt einer neuen Internetkommunikation. Dabei will Facebook seinen Nutzern nicht nur die Möglichkeit geben, E-Mails nach außen zu versenden. Da er die herkömmliche E-Mail für »langsam« und »zu formell« hält, soll sie in ein neues System übernommen werden. Alle Kommunikationsfunktionen wie Facebook-interne Nachrichten, E-Mails nach außen oder Instant Messaging sollen über eine Schnittstelle integriert werden, verkündete Zuckerberg. 76 Neben dieser »nahtlosen Kommunikation« versprach er den Nutzern eine »conversation history« – also eine Dokumentation sämtlicher Nachrichten, die sie je erhielten und versendeten. Bei Datenschützern dürfte diese Megasammlung noch für enorme Kritik sorgen. Internetanalysten sehen in dem Facebook-Projekt vor allem einen Generalangriff auf den E-Mail-Provider Google-Mail. Nicht zu Unrecht, denn schon bei den ersten Gerüchten um das Facebook-Vorhaben gab Googles Börsenkurs nach. 77 Der Social-Media-Analyst Lou Kerner sagte in einem Interview mit Bloomberg TV, es gehe Facebook vor allem darum, dass seine Nutzer noch mehr Zeit auf dieser Plattform verbrächten. 78 Denn wir müssen Facebook künftig weder verlassen, um via Skype zu telefonieren, noch, um eine E-Mail außerhalb des Netzwerks zu versenden.
Marketingexperte Lumma ist sich sicher, dass Zuckerbergs Plan, aus Facebook ein Fenster zum Internet zu machen, aufgehen wird, weil in Zukunft immer mehr Menschen Internetseiten nur noch über Facebook anklicken werden: »Der User wird über Facebook auf Internetseiten gestoßen werden und kann damit auch definieren, was gerade
interessant ist, und zwar durch den Algorithmus, der hinter Facebook steckt und der eben auch die interessanten Inhalte für die User hochspült.«
Damit sind wir bei der uralten Frage, wer zuerst da war, das Huhn oder das Ei. Zwar stellt Facebook »nur« die technische Plattform und einen hochentwickelten Algorithmus, mit dem die Interessen von Millionen Menschen hochgerechnet werden, zur Verfügung, aber zugleich verstärkt das Netzwerk Bedürfnisse unabhängig von den tatsächlichen Interessen der Menschen. Und diese ursprünglichen Interessen müssen eben nicht immer mit Konsumenteninteressen identisch sein.
Wenn wir morgens in den Spiegel blicken, sind wir selten überrascht. Aber vielleicht wären wir ziemlich überrascht, wenn wir unser »Spiegelbild« in den Facebook-Servern sähen. Denn dort ist eben auch abgespeichert, was wir nicht mit allen teilen wollen. Und dieses Bild von uns wird zielgenau an jene weitergegeben, die wollen, dass wir konsumieren. Nach der Relevanz im Freundeskreis werden Interessen gewichtet, von Facebook in den »Topnews« platziert oder nicht, und letztlich bestimmt Facebook durch automatisierte Verfahren mit darüber, wohin wir unsere Aufmerksamkeit wenden.
Während Google die Ströme der Aufmerksamkeit weltweit verfolgen kann, ohne Rückschlüsse auf Personen zu ziehen, ist Facebook viel weiter: Das Netzwerk »weiß«, wer sich wann wofür interessiert, und greift aktiv in diesen Prozess ein. Facebook lenkt somit den Strom der Aufmerksamkeit von aberhundert Millionen Menschen rund um den Globus. Und wir lassen uns bereitwillig lenken, wollen uns
nicht unbeliebt machen. Die Marketing-Strategen der sozialen Medien spielen mit dieser unserer Schwäche. Und ihre Auftraggeber, die werbetreibenden Konzerne, machen sich dadurch stark, dass sie über das Vehikel unserer Freundschaften unsere Interessen in Bedürfnisse verwandeln und aus Freunden Konsumenten machen. Der Mehrwert von Facebook liege darin, so Lumma, dass die Zielgruppe bereits dort sei, wo man sie erreichen will, dass sie sich
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