Die facebook-Falle
dort lange aufhalte, und vor allem, dass man sie dort jederzeit finde. Er spricht von »Marktforschung on the fly, am lebenden Objekt«. Und in diesem schönen Satz spiegelt sich zugleich das gesamte System Facebook wider: Wir sind Hunderte Millionen. Wir fühlen uns sehr individuell, sehr modern und autonom. Wir teilen mit einem guten Gefühl unsere Interessen und merken kaum, wie wir dabei abgeschöpft werden.
KAPITEL 6
Kampf gegen die Mafia 2.0
Organisierte Kriminelle, Sextäter und Rechtsextreme vernetzen sich schneller als die Polizei
Wir alle lieben Helden. Am liebsten sind uns Helden mit menschlichen Schwächen, die sich trotzdem behaupten. Thomas A. Anderson aus dem Kinofilm Matrix ist ein solcher Held. 220 Seine Schwäche ist die Einsamkeit des Hackers. Sein bürgerlicher Beruf als Software-Entwickler langweilt ihn, also macht er sich einen Namen als Hacker unter dem Pseudonym Neo. Er spürt, dass in der Welt, in der er lebt, etwas nicht stimmt, er weiß nur nicht genau, was. Eines Tages erreicht ihn der Anruf einer Unbekannten. Wie sich herausstellt, heißt die attraktive junge Frau Trinity. Und Neo erfährt, dass er für sie kein Unbekannter ist. Sie weiß, dass er sich in das Schatzamt gehackt hat. Sie weiß auch, warum er Nacht für Nacht vor dem Computer hockt. Und sie weiß, dass er nach der Matrix sucht. Dann sagt sie ihm noch, dass er die Matrix finden könne, wenn er wolle. Neo ist verstört. Aber er geht auf das Angebot ein,
einen Vertreter dieser anderen Welt kennenzulernen: Morpheus. Der fragt ihn nach seinen Absichten:
Glaubst du an das Schicksal, Neo?
Nein
Warum nicht?
Mir missfällt der Gedanke, mein Leben nicht unter Kontrolle zu haben.
Ich weiß ganz genau, was du meinst. Ich will dir sagen, wieso du hier bist. Du bist hier, weil du etwas weißt, etwas, das du nicht erklären kannst, aber du fühlst es. Du fühlst es schon dein ganzes Leben lang, dass mit der Welt etwas nicht stimmt. Du weißt nicht was, aber es ist da. Wie ein Splitter in deinem Kopf, der dich verrückt macht. 221
Neo entscheidet sich, die Matrix zu durchdringen, eine Firewall zwischen der realen Welt und einer Welt des Grauens, in der Menschen nur noch Energielieferanten einer Künstlichen Intelligenz sind, die diese Welt beherrscht. Neo wird zum Helden, weil er sein bürgerliches Leben opfert und den Kampf aufnimmt mit den Mächten der Finsternis.
Heutzutage sprechen wir nicht mehr vom Cyberspace, sondern vom Internet. Und dort verbirgt sich längst eine Menge finsterer Gestalten: Betrüger, kriminelle Banden, Pädophile und Rechtsextremisten. Cybercops oder Internetpolizisten gibt es auch. Allerdings müssen sie häufig noch geschult werden. Das besorgen zum Beispiel zwei Polizeilehrer in Rheinland-Pfalz: Axel Henrichs und Jörg Wilhelm. Glaubt man ihrer Studie, dann ist Facebook nicht
nur für Kriminelle, sondern auch für Ermittler ein El Dorado: »Die recht offenherzige Bekanntgabe von personenbezogenen Informationen durch die Nutzer der SNS [Social Network Services] ist Teil der Geschäftsgrundlage zur Betriebs- und Funktionsfähigkeit der Netzwerke, und für die Sicherheitsbehörden sind diese Daten natürlich von großem Interesse.« 222 Die Polizeilehrer schildern sehr konkret, warum auch Kriminelle in die Facebook-Falle geraten: So kann schon das persönliche Profil Erkennungsmerkmale wie Tätowierungen, Spitznamen oder politische Zugehörigkeit der gesuchten Person anzeigen. 223
Facebook-Grüße aus Moskau
Der Fall des sogenannten Gangsta-Rappers Xatar ist ein Beispiel dafür, dass Ganoven manchmal dümmer sind, als die Polizei erlaubt. Der Mann mit dem bürgerlichen Namen Giwar Hajabi soll laut Anklagebehörde mit mehreren Komplizen einen Goldtransporter in Ludwigsburg überfallen und dabei 1,8 Millionen Euro erbeutet haben. 224 Hajabi setzte sich Richtung Osteuropa ab und fühlte sich offenkundig so sicher, dass er eines Tages auf seiner Facebook-Seite Grüße aus Moskau postete. Er schrieb an seine Pinnwand: »Moscow never sleeps« und »Ich seh nur maybachz … woher zum teufel haben die russen das ganze geld??« 225 Das brachte Zielfahnder des Landeskriminalamtes auf die Spur des 28-jährigen. Sie verfolgten ihn in Ruhe, bis sie ihn und zwei Kumpane schließlich im Nord-Irak festnahmen.
Der Fall ist besonders bizarr, weil die Gangster, verkleidet als Steuerfahnder und Polizisten, ihre Tat beinahe filmreif und gewaltlos über die Bühne brachten. Dann aber tappten sie in die Facebook-Falle wie die
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