Die facebook-Falle
Kalibers interessant, die dort offenbar so effizient agieren, dass sogar deutsche Großkonzerne die Angst packt. So haben Porsche, VW, Heidelberger Cement und die Commerzbank ihren Beschäftigten den privaten Zugang zu ihren Facebook-Accounts gesperrt oder verboten. 232 Die Unternehmen taten dies angeblich nicht, weil die Arbeitnehmer zu viel Arbeitszeit damit verplemperten, sondern weil sie Sicherheitslücken fürchteten, wie sie bei Facebook immer wieder auftreten.
Eine aktuelle Studie der Software-Initiative Deutschland e.V. (SID) und des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik FIT kam im Jahr 2010 zu dem Ergebnis, dass die Nutzung sozialer Medien bei immerhin 45 Prozent der Unternehmen in den Marketing- und PR-Abteilungen üblich sei. Allerdings nannten 76 Prozent der Firmen Sicherheitsbedenken als größte Hürde für einen flächendeckenden Einsatz von Facebook und Co. in ihren Unternehmen. 233
Die Cybercops vom BKA
Mirko Manske kann die Vorsicht der Unternehmen verstehen. Seit vier Jahren arbeitet er in der Zentrale des Bundeskriminalamts in Wiesbaden als Sachgebietsleiter »Operative Auswertung« im Bereich Cybercrime, Internetverbrechen. Er beschäftigt sich mit Straftaten, die zum Nachteil anderer Facebook-Nutzer und unter Verwendung der Facebook-Infrastruktur begangen werden.
Auch der 38-jährige Manske hat einen Facebook-Account, aber nicht verdeckt, sondern ganz offen. Er gehört zu jener neuen Generation von Cybercops, die den international agierenden Banden im Netz das Fürchten lehren sollen. Und die Attraktivität der sozialen Medien – in seinem Fall allerdings für Kriminelle – beschreibt Manske in ähnlichen Worten wie die Marketingstrategen: »Wo schwimmt der Hecht hin? Dorthin, wo immer mehr Fische hinkommen«, sagt er. »Cybercrime ist anonym. Im Real-Life müssen Sie, um Straftaten zu begehen, nach Deutschland kommen. Das müssen Sie beim Cybercrime nicht mehr. Sie bleiben im Ausland und verüben die Straftaten von dort aus.« Sein Vorgesetzter, der stellvertretende Referatsleiter Fred-Mario Silberbach, ergänzt: »Diese Leute werden zum Beispiel mit wenigen Mausklicks vom anderen Ende der Welt im Millisekundenbereich um einige tausend Euro reicher. Sie brauchen niemandem mehr unter die Augen zu treten, um eine Straftat zu begehen, etwa wie bei einem Raubüberfall.«
Betrüger unterwandern Facebook
Früher nannte man so etwas den Enkeltrick: Gauner rufen Rentner an und geben sich als Enkel aus, die dringend Geld benötigen. Dann schicken sie einen »Bekannten« vorbei. So ähnlich funktioniert der sogenannte Vorschussbetrug auf Facebook – nur perfider. Denn die Gauner geben sich als Freunde aus, indem sie ein Profil kopieren und auf der Pinnwand zum Beispiel posten: »Bin in Paris bestohlen worden, mein Rucksack mit Geld und Papieren ist weg. Ich brauche dringend 300 Euro«. Alle sehen dann das Foto ihres bemitleidenswerten Freundes und bieten Hilfe an. Sie zahlen das Geld zum Beispiel bei Western Union ein, und die Betrüger holen es irgendwo im Ausland ab. Der angeblich notleidende Freund war aber gar nicht in Paris und weiß von nichts.
Auf solche Tricks spezialisiert ist die sogenannte Nigeria-Connection. Deshalb werden solche Delikte von der Polizei auch unter dem Codenamen »419 Scam« – dem einschlägigen Paragrafen im nigerianischen Strafrecht – behandelt. Laut dem niederländischen Institut Ultrascan hat die Connection allein im Jahr 2009 im Internet weltweit rund 6,7 Milliarden Euro ergaunert. 234
Doch diese Betrüger nutzten nicht nur Facebook, sondern verschickten auch massenweise E-Mails. Eine beliebte Geschichte aus dem virtuellen Märchenbuch der Gauner ist die vom reichen Erben, der kurzfristig Geld benötige, um an das Erbe zu kommen. Am Ende werde der Helfer selbstverständlich einen ordentlichen Batzen davon abbekommen.
Diese Praktiken werden im Internet seit Jahren erfolgreich betrieben, und obwohl sie publik wurden, fallen Menschen nach wie vor darauf herein – Gier frisst bekanntlich Hirn. Dem Unternehmen Facebook können solche Geschichten nicht gefallen, kratzen sie doch am Ruf des »Freunde«-Netzwerks. Der Cheflobbyist von Facebook für Europa, Richard Allan, kündigte deshalb im Januar 2010 eine technische Abwehrmaßnahme gegen solche Tricks an: So soll künftig, wenn wir aus dem Ausland oder von fremden Rechnern auf unseren Facebook-Account zugreifen wollen, unser Passwort nicht mehr ausreichen, um unsere Identität zu belegen.
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