Die facebook-Falle
Olsenbande, die noch nie etwas vom Internet gehört hat.
Ebenso ungeschickt stellte sich im Sommer 2010 ein amerikanischer Bankbetrüger an. Er hatte sogar sein Facebook-Profil im Internet verdeckt, beging dann aber den Fehler, sich auf die Freundschaftsanfrage eines Unbekannten einzulassen. Der war dummerweise ein Ex-Justizmitarbeiter, der nun lesen konnte, was der Betrüger aus der schönen mexikanischen Küstenstadt Cancún postete: »Es ist wie das Leben im Paradies« und »Ich liebe es«. Kurz darauf wurde er verhaftet. 226 Ungeachtet solcher eher dem Zufall geschuldeten Erfolge beginnt die Polizei mehr als schleppend, die Möglichkeiten zu begreifen, welche die sozialen Netzwerke für die Kriminalitätsbekämpfung bieten. Dafür spricht jedenfalls eine Zahl aus dem Mund des Vorsitzenden des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Klaus Jansen: Nur ein Prozent der 260 000 deutschen Polizeibeamten seien überhaupt fähig, im Internet zu ermitteln. 227 Demgegenüber steigt die Zahl der Internet-Straftaten rasant an. Laut polizeilicher Kriminalstatistik waren es im Jahr 2009 rund 207 000 Fälle »mit dem Tatmittel Internet« und damit 23 Prozent mehr als im Jahr zuvor. 228
Einbrecher hocken längst nicht mehr im Gebüsch
Die Zeiten, als Einbrecher noch tagelang hinter einem Gebüsch lauerten, um die Lebensgewohnheiten ihrer potenziellen Opfer auszuspionieren, gehen langsam zu Ende. Heute stöbern sie auf Facebook-Seiten. Und wer diese als Online-Tagebuch für das gesamte Internet sichtbar betreibt, kann auch gleich seine Wohnungstür offenstehen lassen. So erging es dem Ehepaar Keri McMullen und Kurt Pendleton aus dem US-Bundesstaat Indiana. »Ich breche jetzt auf zum Konzert. Kurt und die anderen sind auch dabei«, postete Keri McMullan. Eine Dreiviertelstunde später tummelten sich zwei Einbrecher in ihrer Wohnung und machten fette Beute: einen schicken Plasma-Fernseher, zwei Laptops und Keris Verlobungsring. Die Einbrecher bemerkten allerdings nicht, dass es im ganzen Haus Überwachungskameras gab. Und auf dem Video stellte Keri fest, dass einer der Einbrecher auf Facebook mit ihr »befreundet« war. Er hatte ihr ein halbes Jahr zuvor eine Freundschaftseinladung geschickt und sich als ehemaliger Nachbar ausgegeben. So half Keri McMullan der Polizei auf die Sprünge. Denn die hatte, wie sie selber freimütig einräumte, gar nicht daran gedacht, Facebook in die Ermittlungen einzubeziehen. 229
Facebook, die Hilfssheriff-Plattform
Auch die Polizei in der neuseeländischen Stadt Queenstown fasste einen Verbrecher über Facebook. Der 21-jährige Einbrecher hatte versucht, den Safe eines Restaurants zu knacken. Nicht nur, dass ihm das nicht gelang, zog er sich auch noch seine Maske so ungeschickt vom Kopf, dass sein Gesicht von einer Überwachungskamera aufgezeichnet wurde. Die Queenstowner Polizei hatte schon vorher eine Facebook-Seite, auf der sie nun das Video einstellte. Nur vierundzwanzig Stunden später wurde der Dieb gefasst. Laut New York Times wird die ungewöhnliche Fahndungsmethode inzwischen in ganz Neuseeland eingesetzt. In Queensland kam sie gut an: Die Kontakte auf der Freundesliste der Polizeidienststelle verdoppelten sich, nachdem der Einbrecher gefasst worden war. 230
In Australien ist Facebook seit kurzem sogar ein offizielles Zustellungsmedium für die Justiz. Ein Mann hatte monatelang seine Ex-Freundin über Facebook belästigt und bedroht. Die Frau erwirkte vor Gericht ein Urteil gegen den Stalker. Die Polizei von Melbourne schickte die einstweilige Anordnung per Post, doch sie kam zurück. Und auch eine Übergabe durch Beamte scheiterte mangels Anwesenheit des Übeltäters. Am Ende erwirkte die Polizei eine gerichtliche Genehmigung, die Verfügung per Videobotschaft direkt an den Facebook-Account des Mannes senden zu dürfen. Offenbar beeindruckt von der Findigkeit der Behörde, löschte der Stalker augenblicklich seinen Account. 231
Solche Geschichten dürften den Facebook-Betreibern als Ritterschlag im Namen von Recht und Gesetz erscheinen.
Sie haben aber auch eine Schattenseite: Spätestens, wenn Staaten beginnen, Facebook als Medium zur Durchsetzung öffentlicher Interessen zu betrachten, ist Vorsicht angebracht, denn die private Kommunikationsplattform rückt damit ins Visier staatlicher Machtpolitik. Und wieder geht ein Stück Unabhängigkeit des Internets verloren.
Solche Anekdoten wären eigentlich nicht der Rede wert, wäre Facebook nicht auch für Kriminelle ganz anderen
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