Die facebook-Falle
virtuelle Angriffe auf ihre »Feinde«. Wer sich entschieden gegen Nazis äußert, wird auf seiner Pinnwand bedroht oder erhält Drohnachrichten. Mit Parolen und Symbolen zeigen die Rechten Präsenz, selbst wenn sie wissen, dass daraufhin die Löschung erfolgt.
Solche Spuren werden offenbar gerne an Orten hinterlassen, an denen nicht damit gerechnet wird. So erwarten Facebook-Nutzer, die Fan der Gruppe »Netz gegen Nazis« werden, dort nur Gleichgesinnte vorzufinden. Überrascht müssen sie dann feststellen, dass ausgerechnet dort immer wieder rechte Parolen auf der Pinnwand auftauchen. Ein besonders hartnäckiger Nazi trat der Gruppe bei und schrieb unter jeden Beitrag auf der Pinnwand »Sieg Heil« und ähnliche Parolen. Als Administrator der Gruppe löschte Simone Rafael ihn, doch er meldete sich beharrlich wieder an und postete nationalsozialistische Grußformeln.
»Jede Stunde diese Parolen von der Pinnwand zu löschen und diese Person rauszuwerfen nahm viel Zeit in Anspruch. Das ist auch Teil der Strategie«, sagt Rafael. Sie hat dann regelmäßig mit dem Customer Service von Facebook zu tun, um die Löschung von Profilen zu erwirken. Leider ist das bei dem amerikanischen Unternehmen nicht so einfach. Denn in den USA steht beispielsweise die Holocaust-Leugnung
nicht unter Strafe. »Während die VZ-Gruppen schnell gemerkt haben, dass Rechtsextremismus ein Thema ist, bei dem etwas unternommen werden muss, hat das Facebook lange überhaupt nicht interessiert«, erklärt Rafael. »Zum einen haben die Facebook-Betreiber nicht gesehen, welche Relevanz das Thema in Deutschland hat, und zum anderen haben die als Unternehmen eine andere Auffassung dazu.« Als private Firma kann Facebook frei entscheiden, wem es seine Dienste zur Verfügung stellen möchte und wem nicht. In den Nutzungsbedingungen steht zwar: »Du wirst andere Nutzer weder tyrannisieren noch einschüchtern oder schikanieren«, allerdings weiß Rafael, dass die Begriffe »Tyrannei« und »Schikane« in den USA sehr viel weiter gefasst sind als in Deutschland. Die VZ-Gruppe hat der NPD eigene Seiten mit der Begründung verweigert, die Partei sei deutlich rechtsextrem und grenze ganze Bevölkerungsgruppen aus – selbst wenn sie sich im Netz nicht entsprechend äußere. Facebook hat eine andere Philosophie: Solange die NPD nichts ins Netz stelle, was strafbar sei, könne man sie auch nicht verbannen.
Brauchen wir den Staat im Internet?
Wie reagiert die Justiz auf den Durchmarsch der Rechtsextremisten im Internet? Ohne konkreten Verdacht ermitteln nur wenige deutsche Polizeibeamte im Internet – darunter die »Zentralstelle für anlassunabhängige Recherchen in Datennetzen« beim Bundeskriminalamt. Dort hat man vor allem die Kinderpornografie im Visier. Alle anderen Arten
von Kriminalität wolle man aber nicht aus dem Blick verlieren, heißt es auf der Homepage. 252
Sogenannte Netzpatrouillen unterhalten auch die Landeskriminalämter Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Hessen und Nordrhein-Westfalen. 253 In Bayern gehen elf Beamte auf Netzstreife, in Nordrhein-Westfalen sind es gerade mal zehn. Angesichts von weltweit schätzungsweise drei Milliarden Webseiten hat die schwarz-gelbe Bundesregierung nun beschlossen, das zu ändern – allerdings nur für den Bereich linker Gewalt. In einem internen Papier mit dem Titel »Konzept zur Bekämpfung linker Gewalttaten« schlägt das Bundesinnenministerium laut Spiegel Online den Einsatz von »virtuellen Agenten« im Internet vor. Ermittler sollen sich in die Szene einschleusen, indem sie »durch den Aufbau von Blogs bestimmte Personengruppen ansprechen und zur Teilnahme an Diskussionen anregen sowie Kontakte knüpfen«. 254
Ein solchesVorgehen wirft mehrere Fragen auf: Warum will die Bundesregierung ausgerechnet linke Gewalttäter durch den Einsatz von »Agents Provocateurs« überwachen und nicht auch rechtsextreme? Die zweite – weitaus gewichtigere – Frage lautet: Brauchen wir den Staat im Internet? Bislang hat die Staatsmacht nicht gerade ein rühmliches Bild abgegeben, hängt es doch von der politischen Windrichtung und von aktuellen Sparzwängen ab, wann, wo, von wem gegen wen ermittelt wird. Vor allem: Wer sagt uns, dass solche Instrumente – sind sie erst legalisiert – nicht im Sinne eines Überwachungsstaates ausgenutzt werden?
Weit erfolgreicher sind bislang zivilgesellschaftliche Lösungen, wie die Aktivitäten von »Netz gegen Nazis« und
anderen belegen.
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