Die facebook-Falle
Profils, müssen diese gelöscht werden. Der langjährige Hauptkonkurrent von Facebook, MySpace, hatte bereits im Jahr 2007 insgesamt 29 000 Profile von Sexualstraftätern gelöscht – allerdings auch erst auf Druck mehrerer Staatsanwaltschaften in den USA. 243 Zwei Jahre später
waren es bereits 90 000. 244 Das Magazin TechCrunch berichtete, 8000 der gefundenen Nutzer-Profile seien zugleich auch bei Facebook registriert. Ein Facebook-Sprecher bat daraufhin um die Liste, denn man wisse nicht, wer die Leute seien. TechCrunch - Autor Erik Schonfeld ließ das nicht gelten und führte kurzerhand vor, wie einfach man Profile mit der nationalen Sexualstraftäter-Datenbank abgleichen könne. Im Handumdrehen hatte er 100 Personen herausgefischt. 245 Im Mai 2009 schloss sich dann auch Facebook dem Verfahren an und gleicht seitdem die Profile mit der Sexualstraftäter-Datenbank ab – wiederum auf Druck der Justiz. In Deutschland gab es besonders im Vorfeld der Bundestagswahl 2009 viele kontroverse Debatten über die Frage, ob der Staat bei solchen Problemen eingreifen sollte. Die von der Bundesregierung beschlossene Möglichkeit von Internetsperren hat großen Widerstand provoziert – zu Recht. Denn erstens haben sich diese Sperren – zum Beispiel in Dänemark – als ineffizient und leicht zu umgehen erwiesen, und zweitens bedeuten sie einen schweren Eingriff in die bis dato freie Öffentlichkeit des Netzes. Gibt man staatlichen Behörden ein solches Instrument gegen Kinderschänder an die Hand, kann die Zensur morgen schon politisch missliebige Internetseiten treffen. Mittlerweile hat die Bundesregierung verkündet, dieses Instrument ruhen zu lassen; im Zweifel soll Löschen vor Sperren gehen. 246
Dass das Bundesverfassungsgericht auch die Vorratsspeicherung von Verbindungsdaten bei den Kommunikationsprovidern zunächst untersagt hat, ist angesichts der Datenunsicherheit nachvollziehbar. Die Journalistin Beate
Krafft-Schöning fordert dennoch, dass dieses Ermittlungsinstrument irgendwann wieder zur Verfügung steht: Die Aufhebung sei ein »Super-Gau« gewesen, denn Datenspuren von Tätern könnten nun nicht mehr legal als Beweismaterial verwendet werden, selbst wenn der Provider die Daten freigibt. »Das Internet wird ein rechtsfreier Raum und leider auch kinderschutzfreier Raum, wenn hier nicht schnell etwas passiert.«
Rechtsextreme unterwandern die Netzwerke
Glaubt man Mark Zuckerberg, dann macht Facebook die Welt nicht nur offener, sondern auch besser. Nach allem, was wir bis jetzt erfahren haben, ist das eine ziemlich gewagte These. Denn wer wollte bestreiten, dass zum Beispiel eine Welt ohne Nazis eine bessere wäre? Zugleich dürfte es niemanden überraschen, dass es sie noch gibt. Ebenso wenig überrascht die Information, dass in Deutschland seit Jahren stabile ca. 25 Prozent der Bevölkerung mit ausländerfeindlichen Positionen sympathisieren. 247 Wir sollten also auch nicht überrascht sein, dass rechtsextremistische Gruppen Facebook ebenso für ihre Werbezwecke entdeckt haben wie Vodafone oder BMW. Denn neonazistische Organisationen und Personen expandieren im gesamten Internet. Laut der jüngsten Studie von Jugendschutz.net gab es im Jahr 2009 insgesamt 1872 rechtsextremistische Websites in deutscher Sprache und damit zehn Prozent mehr als im Vorjahr. 248
Je größer Facebook in Deutschland wird, desto einflussreicher
werden auch die Extremisten auf dieser Plattform. Allerdings verweist Jugendschutz.net auch darauf, dass vier von fünf unzulässigen Einträgen erfolgreich von den Providern gelöscht würden, wenn kritische Netzbeobachter darauf hinweisen.
An diesem aufreibenden Katz-und-Maus-Spiel mit den Extremisten beteiligt sich seit gut zwei Jahren auch Simone Rafael. Unter dem Dach der Berliner Amadeu-Antonio-Stiftung betreibt sie mit einem Kollegen die von der Wochenzeitschrift Die Zeit mitgegründete Website »Netz gegen Nazis« und die Plattform »Soziale Netzwerke gegen Nazis«. »Im Fokus unserer Arbeit stehen Leute, die gegen andere User hetzen und sie bedrohen. Diskurse an sich reißen und sie stören, das machen Nazis im Netz, um Demokraten zu verunsichern und einzuschüchtern«, sagt Rafael. »Und es ist mein Interesse, das zu verhindern.« Deshalb klärt sie über die Unterwanderung der sozialen Netzwerke durch Neonazis auf und regt Diskussionen zu dem Thema an.
Bei den Recherchen für ihre Artikel stößt die Berlinerin immer wieder auf rechtsradikale Seiten und bewirkt deren Löschung.
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