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Die facebook-Falle

Die facebook-Falle

Titel: Die facebook-Falle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Adamek
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offiziell in meinem Buch, also du darfst die Braut jetzt küssen.«
    Helden der digitalen Romantik
    Dana und Tracy aus Abingdon im US-Bundesstaat Maryland waren nicht prominent, aber sie sind es geworden, denn ein Freund nahm die Vermählung auf Video auf und stellte die Szene bei YouTube ein. Noch am Tag ihrer Hochzeit sahen sich 700 000 Menschen das Video an. Die besonderen Umstände der Hochzeit von Dana und Tracy verbreiteten sich wie ein Lauffeuer. Fast zwei Millionen Menschen haben seitdem das Video »At my Wedding Twittering and Facebooking at the Altar« angeklickt. 259 Dana
und Tracy sind so etwas wie Helden der digitalen Romantik geworden.
    Auch Boris Becker ließ im Jahr 2009 Millionen Menschen bei seiner Eheschließung mit Lilly Kerssenberg zuschauen, allerdings aus eher unromantischen Motiven. Denn Becker hatte die Exklusivrechte an der Zeremonie für viel Geld an RTL verkauft. Den Talkmaster Frank Plasberg inspirierte das zu einer Sendung über die Zurschaustellung des Privaten in digitalen sozialen Netzwerken: »Sind wir alle Boris?« 260 Man kann die Frage weiter fassen: Wie verändert unsere plötzliche digitale Präsenz Freundschaften und Liebesbeziehungen? Und: Geht es bei Facebook überhaupt um Freundschaft, oder entsteht aus dem gigantischen »Freunde-Experiment« eine übermächtige Welt-Datenbank, die alles andere als freundlich ist?
    Bleiben wir noch kurz bei Dana und Tracy: in einem Augenblick, den die meisten wohl als sehr emotional empfinden dürften, greifen sie zu ihren Handys. Den vielleicht ergreifendsten Augenblick ihrer Liebe digitalisieren sie in »Echtzeit« und legen damit eine beeindruckende Geschwindigkeit an den Tag, ja, sie überholen sich fast selbst. Und man fragt sich unwillkürlich, ob der digitale Geschwindigkeitsrausch die Natur unserer Beziehungen verändert.
    Blicken wir sechzig Jahre zurück: Die Schriftstellerin Ingeborg Bachmann und der Dichter Paul Celan waren damals ein Liebespaar, nur gelang es ihnen nicht, diese Liebe als Paar zu leben. Jahrelang schrieben sie sich Briefe. An diesem Briefwechel besticht neben der Zärtlichkeit, dem Verlangen, und auch der zeitweiligen Härte der Zeilen vor allem eines: seine Langsamkeit. Paul Celan schrieb am
16. Februar 1952 einen klarstellenden Brief, auf den Ingeborg Bachmann viele Wochen warten musste: »Wir wissen genug voneinander, um uns bewusst zu machen, dass nur Freundschaft zwischen uns möglich bleibt.« 261 Heutzutage würden wir vielleicht mailen: »Lass uns Freunde bleiben!?«, und es würde im Zweifelsfall nur wenige Minuten dauern, bis eine Antwort in unserem E-Mail-Eingang liegt. Oder es käme gar keine Reaktion mehr; die Beziehung wäre abgehakt.
    Wer hingegen den Briefwechsel zwischen Bachmann und Celan liest, kann noch heute nachempfinden, wie besonders aus der quälenden Langsamkeit ungeheure Intimität erwächst. Die Worte erhalten mehr Gewicht, und sie sind besser gewählt und überlegt. Paul Celan hatte seine Abschiedsworte übrigens nicht zum ersten Mal aufgeschrieben, was den Satz erklärt: »Hoffentlich ist es diesmal der Brief, den ich auch abschicke.« War die Langsamkeit des Briefzeitalters eine unnötige Qual, oder ist unsere heutige Geschwindigkeit ein ausgesprochenes Glück?
    Heutzutage gilt als ungeschriebene Regel: Eine E-Mail, die nicht am selben Tag beantwortet wird, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit am zweiten Tag beantwortet oder nie mehr. Die Unmittelbarkeit des Mailens, Chatten oder Postens auf Facebook schenkt uns Zeit und raubt sie uns zugleich, weil sie uns Rastlosigkeit abverlangt, wo wir vielleicht mehr Zeit zum Nachdenken gebraucht hätten. Überträgt sich dieser Geschwindigkeitsrausch der Online-Kommunikation auch auf unsere Beziehungen?
    In dem hübschen Berliner Internetcafé »Treffpunkt-Weltweit« spreche ich mit zwei Menschen, die ohne Facebook
möglicherweise nie ein Paar geworden wären. Vor vier Monaten begegnete Ines Drescher zum ersten Mal ihrem heutigen Freund Sören Grzondziel, dem Mit-Inhaber des Cafés. Sie saß häufig oben auf einer Empore vor dem PC, er stand hinter dem Tresen und bediente. Wochenlang chatteten sie über Facebook, oft stundenlang. Im realen Leben blieben sie lieber auf Distanz. Wenn sie das Café betrat oder verließ, grüßten sie sich nur knapp. Ab und an warfen sie sich ein freundliches Lächeln zu. Der Chatroom von Facebook war der geschützte Ort, um ihre Schüchternheit zu überwinden. Hier konnten sie sich schneller kennenlernen, als sie es

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