Die Fackel der Freiheit
Victor selbst eine fast beängstigende Ähnlichkeit mit den Angehörigen der bolschewistischen Tscheka aus den frühen Jahren der russischen Revolution besaß, beinahe zwei Jahrhunderte vor der Diaspora.
Victor wusste, worauf sich Anton bezog, und nachdem er kurz erstarrt war, hatte er zugegeben (und dabei sogar ein wenig gelächelt), möglicherweise könne wirklich eine gewisse Ähnlichkeit bestehen. In den Jahren, seit er Kevin und Ginny Usher begegnet war, hatte Cachat sich tatsächlich ernsthaft mit Geschichte befasst.
»Das ist trotzdem nicht das Gleiche, Anton«, hatte er gesagt. »Wenn du so viel über die Antike weißt, dann weißt du auch, dass innerhalb von zwo Jahrzehnten nach der ursprünglichen Revolution der Tyrann namens Stalin fast alle dieser Revolutionäre der ersten Stunde hat ermorden lassen und sie durch seine eigenen Speichellecker ersetzte. Rob Pierre und vor allem Saint-Just haben bei unserer eigenen Revolution versucht, das Gleiche mit den Aprilisten zu machen - und beinahe hätten sie damit auch Erfolg gehabt.
Aber wir reden hier über Jahrhunderte, Anton, nicht über Jahrzehnte. Jahrhunderte, während derer diese Leute die schlimmsten Verbrechen begangen haben, die man sich nur vorstellen kann: Sie haben Generationen von Menschen zu einem Leben in Sklaverei verurteilt, ständiger Brutalität ausgesetzt - und endlich geht das Jack McBryde gegen die Hutschnur? Mehr als ein halbes Jahrtausend, nachdem das Ganze angefangen hat? Nachdem er selbst schon auf eine lange Karriere in genau diesem Geschäft zurückblicken kann?«
Als er die letzten Worte hervorstieß, hatte Victor mehr Zorn gezeigt, als Anton jemals bei ihm erlebt hatte.
»Also ... was jetzt?«, fragte er. »Willst du McBryde sagen, er soll doch gefälligst einfach geradewegs ins Höllenfeuer springen, und zum Teufel mit ihm?«
Das hatte ausgereicht, um Cachats lodernden Zorn zu durchdringen. »Naja ... nein, natürlich nicht.« Er brachte sogar ein leises Lachen zustande. »Ich bin ja schließlich nicht verrückt. McBryde könnte einer der ranghöchsten Untergebenen von Shaitan persönlich sein, und ich würde trotzdem unter diesen Umständen mit ihm zusammenarbeiten, wenn er wirklich aus der Hölle fliehen und überlaufen wollte. Vielleicht würde ich mir dabei die Nase zuhalten, aber ich würde es trotzdem tun. Wir können hier einfach entschieden zu viel gewinnen - und damit meine ich noch nicht einmal die letzten Hinweise, die uns McBryde hat zukommen lassen.«
Anton blickte ihn skeptisch an. »Glaubst du wirklich, er kann an irgendwelche supergeheimen technologischen Neuschöpfungen herankommen - vorausgesetzt, diese Neuschöpfungen existieren überhaupt?«
»Ich glaube, dass McBryde wirklich keinen blassen Schimmer von der Raumschiffs-Konstruktion hat - auch wenn er uns das zu verkaufen versucht hat. Aber wenn ich ein paar andere Bemerkungen von ihm richtig interpretiere, dann hat er noch jemanden an seiner Seite. Jemanden, den er bislang sorgfältig verborgen gehalten hat.«
Blicklos starrte Anton die Wand an und dachte nach. Aus etwas von dem, was McBryde ihnen bei ihrem letzten Zusammentreffen - vorgestern - gesagt hatte, konnte man tatsächlich genau das herauslesen, vorausgesetzt, man war bereit, die Worte des Mesaners ein wenig zu interpretieren. Schließlich nannte man dieses Geschäft nicht umsonst das ›Spiegelkabinett‹. Es wirkte, als suche dieser McBryde nach einer Möglichkeit, diesen Planeten zu verlassen, und dabei deutlich mehr Platz zu beanspruchen, als eine Person benötigen würde. Tatsächlich hatte das Anton seinerzeit auch ein wenig verwundert. McBryde war selbst ein Experte für Sicherheitsfragen, und der einfachste und sicherste Weg, jemanden unbemerkt von Mesa fortzuschaffen, bestünde darin, ihn auf die eine oder andere Weise als jemand anderen auszugeben. Je mehr Leute man auf diese Weise fortschaffen wollte, desto schwieriger wurde es natürlich - und das Risiko, doch ertappt zu werden, stieg mit der Anzahl der betreffenden Personen exponentiell an, nicht linear.
Sonst ...
Er sog die Luft ein. »Was denkst du denn, um wie viele Personen es hier geht?«
»Vermuten würde ich: nur eine«, gab Victor zurück. »McBryde hat weder Frau noch Kinder - und auch sonst keinen Lebensabschnittsgefährten gleichwelcher Art, soweit wir das beurteilen können. Ich habe das Gefühl, er stehe seiner Familie sehr nah, aber es sollte mich doch verwundern, wenn jemand mit seiner Ausbildung und seiner
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