Die Fackel der Freiheit
auf die gleiche Frage zwei oder mehr Antworten zu haben scheint, dann sollte man immer die einfachere nehmen. Die ist mit größter Wahrscheinlichkeit richtig.«
Web, der mit Ockhams Skalpell durchaus vertraut war, hatte sich diesen kurzen Wortwechsel schweigend angehört. Als Berry schließlich endete, sagte er: »Aber Sie sind skeptisch, Victor.«
»Ja, das stimmt.« Cachat nickte Zilwicki zu. »Und für Anton gilt das Gleiche.«
Nun blickte Du Havel zu Anton hinüber. »Warum?«
Mürrisch verzog Zilwicki das Gesicht. Nein, eigentlich war seine Miene gar nicht ›mürrisch‹, doch bei Antons kantigem Gesicht brauchte es nicht viel, um ihn wie einen sehr verstimmten Zwergenkönig wirken zu lassen. »Zugegeben, klar und deutlich lässt sich das nicht erläutern. Aber es fällt mir schwer zu glauben, dass eine planetare ›Regierung‹ mit der Geschichte von Mesa plötzlich in der Lage sein soll, so glatt und effizient zu operieren, wie sie es hier getan zu haben scheint.«
»Ich halte es ehrlich gesagt für unmöglich«, setzte Victor hinzu. »Diese sogenannte ›Regierung‹ von Mesa hat deutlich mehr Ähnlichkeiten mit dem Vorstand einer Firma als mit einer normalen Regierung.«
Darüber dachte Du Havel nach. In Victors Worten lag eine ganze Menge Wahrheit. Die politische Struktur von Mesa entsprach weitestgehend einer Corporation, an der sämtliche freien Bürger Stimmrechtsaktien besaßen. Sklaven waren natürlich für alle Zeiten davon ausgeschlossen, jemals Stimmrechtsaktien zu erwerben.
Der Vorstandsvorsitzende von Mesa, der tatsächlich auch offiziell den Titel eines CEO trug, wurde vom Generalausschuss dieses Systems gewählt. Die Mitglieder dieses Ausschusses rekrutierten sich zum einen aus den führenden Firmen des Sonnensystems, zum anderen aus der freien Bürgerschaft, die ihre Vertreter frei wählen konnten. Doch das Gleichgewicht der Kräfte war eindeutig zugunsten der großen Corporations verschoben. Die gewählten Vertreter stellten nur ein Drittel der Gesamtanzahl der Ausschussmitglieder; die verbleibenden zwei Drittel wurden von den Corporations gestellt, ausgewählt nach dem prozentualen Anteil des Steueraufkommens ihrer jeweiligen Firma an den gesamten Steuereinnahmen der Regierung. Weil Manpower mit Abstand die größte einzelne Corporation war und tatsächlich für beinahe sechzehn Prozent der gesamten Steuergrundlagen aufkam, dominierten die von dieser Corporation gestellten Repräsentanten den Generalausschuss und waren üblicherweise diejenigen, die letztendlich darüber entschieden, wer in das Amt des CEO berufen wurde.
Zusätzlich zu den offiziellen Ernennungen, die Manpower eigenständig vornehmen konnte, hatte die Corporation sorgfältig geheim gehalten (oder zumindest konsequent sorgfältig zu erwähnen vergessen), dass sie enge Beziehungen zu einigen anderen der größeren Corporations auf Mesa unterhielten, durch die sie dann die Ernennung weiterer Mitglieder des Generalausschusses maßgeblich beeinflussen konnten. So war das Jessyk Combine beispielsweise offiziell eine gänzlich unabhängige Corporation, die 4,5% der Generalausschussmitglieder ernennen durfte - doch diese Ernennung erfolgte in Wahrheit durch Manpower. Wenn die Vermutung der Geheimdienstler auf Torch zutraf, eine ähnliche Beziehung bestehe auch zu Mesa Pharmaceuticals, dann verschaffte das Manpower die Kontrolle über - oder zumindest immensen Einfluss auf - weitere 9,5% des Generalausschusses. Mit Hilfe dieser drei formal gänzlich unabhängigen Corporations hatten damit die Direktoren von Manpower wahrscheinlich dreißig Prozent des gesamten Generalausschusses dieses Sonnensystems fest in der Hand.
Gemäß der mesanischen Verfassung musste der CEO aus der Gesamtheit der Generalausschussmitglieder gewählt werden - und damit war praktisch sichergestellt, dass er aus den Reihen der Vertreter eben der von den Firmen gestellten Mitglieder stammte. Und dieser CEO war nicht nur dem Namen nach der Chief Executive Officer des Sonnensystems, sondern auch faktisch. Er unterlag dem Gutdünken des Generalausschusses, und kein CEO konnte sein Amt länger als zehn Jahre am Stück bekleiden. Doch solange er das Amt innehatte, war seine Macht praktisch unbeschränkt, und sämtliche Entscheidungen hinsichtlich der Vorgehensweisen der Regierung wurden aus seinem Büro von oben herab diktiert und durch eine Reihe Geschäftsführer umgesetzt, die nur ihm persönlich unterstellt waren. Seine Budget-Vorschläge mussten vom
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