Die Fackel der Freiheit
Woher weißt du so etwas überhaupt?«
Friede Butry lächelte, doch sie antwortete ihm nicht. Das lag daran, dass die Antwort auf seine Frage ihr das Herz gebrochen hätte. Sie wusste so viele Dinge, von denen fast keiner ihrer Nachkommen auch nur den Hauch einer Ahnung hatte, aus einem ganz einfachen Grund: Sie hatte schon ein ganzes erfülltes Leben genießen können, bevor sie auf Parmley Station gestrandet war - während alle anderen ihr gesamtes Leben dort verbracht hatten.
Einen beachtlichen Teil dieses Lebens vor ›Parmley Station‹ waren sie und ihr Ehemann sehr erfolgreiche Frachtmakler gewesen. So hatten sie ihr ursprüngliches, recht beachtliches Vermögen zusammengetragen. Und daraus hatte Michael Parmley dann an der Centauri-Börse ein deutlich größeres Vermögen gemacht - und schließlich das Ganze ruiniert, weil er versucht hatte, ein Frachtunternehmen zu gründen, das es im lukrativen Geschäft in den Kernwelten mit den ›Großen Jungs‹ aufnehmen konnte.
Sicher, sie hatte ihren Mann geliebt. Aber seit seinem Tod vor so vielen Jahrzehnten war kein einziger Tag vergangen, an dem sie ihn nicht aus tiefstem Herzen verflucht hatte. Michael Parmley war jegliche Form der Boshaftigkeit gänzlich fremd gewesen - aber dafür war auch ›Verantwortungsbewusstsein‹ für ihn praktisch ein Fremdwort. Der unverbesserliche Spieler hatte schon drei ganze Vermögen verloren, bevor er schließlich sich selbst und sämtliche seiner Verwandten in den Ruin getrieben hatte, indem er diese Station bauen ließ.
Und damit hatte er zumindest eine ganze Generation seiner weit verzweigten Familie dazu verurteilt, ein Leben zu führen, das eher ›der Abklatsch eines Lebens‹ war: völlig isoliert, und vermutlich nicht allzu lang. Ganny wusste bestens - und das schon seit Jahren -, dass unausweichlich der Tag kommen würde, an dem sie den Tod ihres geliebten Großneffen Andrew Artlett würde beklagen müssen - vorausgesetzt, sie selbst lebte so lange. Andrew würde an Altersschwäche sterben, während seine Großtante möglicherweise immer noch vielleicht ein ganzes Jahrhundert vor sich hatte.
»Ganz egal, Andrew. Ist eine lange Geschichte. Sorg nur dafür, dass du die Verträge innerhalb der nächsten zehn Minuten losschickst - aber nicht viel früher als das. Es wäre für die da draußen ziemlich unerwartet, wenn ein Tramp-Frachter so rasch auf irgendetwas Offizielles reagieren würde.«
Er nickte. »Und wie lange bleiben wir?«
»Bis der Frachter aus dem Gupta-System uns die Ware bringt. Wenn die das zeitlich richtig einrichten, dürften sie ungefähr zwei oder drei Tage vor Ablauf unserer Frist hier im Orbit eintreffen. Der Zoll braucht dann weniger als einen Tag, um alles zu überprüfen. Und dann brechen wir nach Palmetto auf, genau wie unsere - völlig korrekten - Papiere das auch besagen. Kurz die Edelsteine gegen Marketender-Waren eingetauscht, und wir kommen wieder zurück. Das dürfte nicht länger als zwei Wochen dauern. Bis dahin sollten wir beim mesanischen Zolldienst einen hinreichend glaubwürdigen Eindruck hinterlassen haben, sodass wir ihnen vielleicht eine Genehmigung für einen Aufenthalt von bis zu dreißig T-Tagen abringen können.«
»Und wenn Anton und Victor entkommen müssen, während wir gerade fort sind?«
»Dann haben die aber so richtig Pech. Bei unserer Tarngeschichte ist es schlichtweg völlig unmöglich, dass wir die ganze Zeit über einfach im Orbit bleiben. Nicht irgendwo, wo es eine funktionierende planetare Regierung gibt, geschweige denn im Orbit von Mesa. Die sind hier ein bisschen paranoid - und das auch aus gutem Grund, so verhasst, wie die eigentlich überall sind.« Sie zuckte mit den Schultern. »Aber wenn diese beiden Gestalten wirklich so gut sind, wie sie selbst meinen - und wahrscheinlich sind sie das auch -, dann werden die vernünftig genug sein, es zeitlich so abzupassen, dass der Alarm erst dann ausgelöst wird, wenn wir uns wieder in der Umlaufbahn befinden. Natürlich ist es immer möglich, dass sie durch irgendetwas Unerwartetes überrascht werden. Aber das Risiko müssen sie eben eingehen. Das liegt in der Natur ihres Jobs. Wie dem auch sei, ich habe dafür gesorgt, dass auch die vertraglichen Aspekte unserer Tarngeschichte wasserdicht sind. Wir werden bezahlt, ganz egal, was passiert.«
Sie sah keine Veranlassung zu erklären, dass der ›Vertrag‹ einzig und alleine auf einer mündlichen Absprache zwischen ihr selbst, Web Du Havel, Jeremy X und einem
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