Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)
Hal nachdenklich. »Ich glaube, er weiß, wo diese O’Higgins-Lümmel sind; vielleicht können sie sich nützlich machen.«
»Sie sind Iren«, sagte Grey. Die O’Higgins-Brüder, Rafe und Mick, waren Soldaten – wenn ihnen der Sinn danach stand. Wenn nicht, verschwanden sie wie der Wind. Allerdings kannten sie Gott und jedermann in dem Viertel, das Rookery genannt wurde, jenem lärmerfüllten, unzivilisierten Stückchen London, in dem sich die irischen Emigranten zusammenfanden. Und wenn es etwas zu erledigen gab, das nicht völlig legal war, waren die Brüder O’Higgins genau die Richtigen.
»Wenn jemand Ire ist, heißt das nicht zwingend, dass er einen Hang zum Hochverrat hat«, sagte Hal tadelnd. »Im Fall Bernard Adams haben sie uns wirklich geholfen.«
»Also gut.« Grey lehnte sich zurück und schloss die Augen. Er spürte, wie ihm die Erschöpfung durch den Körper lief wie der Sand in einer Sanduhr. »Auf deine Verantwortung.«
Minnie räusperte sich. Sie hatte still dagesessen und an einer Stickerei gearbeitet, während sich die Männer unterhielten.
»Was ist denn mit Major Siverly?«, fragte sie.
Grey öffnete die Augen und sah sie müde an.
»Er ist tot«, sagte er. »Hast du denn nicht zugehört, Minerva?«
Sie warf ihm einen kalten Blick zu. »Und er hat es zweifellos verdient. Aber habt ihr nicht diesen ganzen Pilgerzug in der Absicht begonnen, ihn der Gerechtigkeit zuzuführen und ihn öffentlich für seine Verbrechen zur Verantwortung zu ziehen?«
»Kann man denn einen Toten vor ein Kriegsgericht bringen?«
Sie räusperte sich noch einmal und setzte eine zufriedene Miene auf.
»Tatsächlich«, sagte sie, »bin ich fest davon überzeugt, dass man das kann.«
Hal hörte auf zu kauen.
»Ich habe eine ganze Reihe von Kriegsgerichtsprotokollen eingesehen, weißt du«, sagte sie mit einem raschen Blick in Greys Richtung. »Als … als der arme Percy …« Sie hustete und wandte den Blick ab. »Jedenfalls ist es möglich, posthum ein Kriegsgericht abzuhalten. Ein Mann wird offenbar tatsächlich von seinen Taten überlebt – obwohl ich denke, dass so etwas vor allem angewandt wird, um besonders haarsträubende Sündenfälle zu dokumentieren. Es soll als Beispiel für die Soldaten gelten und um den Vorgesetzten des straffälligen Offiziers Gelegenheit zu der Feststellung zu geben, dass sie weder geschlafen noch beide Augen zugedrückt haben, während die schmutzigen Geschäfte ihren Lauf nahmen.«
»So etwas habe ich ja noch nie gehört«, sagte Grey. Aus dem Augenwinkel konnte er sehen, wie Fraser ein Sahneteilchen betrachtete, als hätte er Derartiges noch nie gesehen, den Mund fest zusammengepresst. Jamie Fraser war der einzige Mensch auf der Welt – außer Percy –, der die wahre Natur von Greys Beziehung zu seinem Stiefbruder kannte.
»Wie oft ist das schon vorgekommen?«, fragte Hal fasziniert.
»Nun, mir ist ein Fall bekannt«, räumte Minnie ein. »Aber einmal reicht doch, oder?«
Hal spitzte die Lippen und nickte stirnrunzelnd, während er sich die Möglichkeiten ausmalte. Es würde ein allgemeines Kriegsgericht sein müssen, kein Regimentsgericht; das hatten sie von Anfang an gewusst. Möglich, dass Siverlys Regiment angesichts des Umfangs seiner Verbrechen gern selbst Anklage erheben würde, doch die Protokolle solcher Regimentsprozesse wurden nicht veröffentlicht, die eines allgemeinen Kriegsgerichts hingegen schon, und das Büro des Disziplinaradvokaten der Armee war für seine geradezu ermüdend detailgetreuen Protokolle bekannt.
»Und es wäre eine öffentliche Bühne, falls du eine wünschst«, fügte Minnie diplomatisch hinzu, »auf der du Major Siverlys Beziehungen zu Edward Twelvetrees beleuchten könntest. Oder zu beliebigen anderen Verdächtigen.« Sie wies kopfnickend auf das versengte Blatt Papier, das neben der Teekanne lag.
Hal fing an zu lachen. Es war ein leises, glückliches Geräusch, das Grey schon lange nicht mehr gehört hatte.
»Minnie, meine Liebe«, sagte er liebevoll. »Du bist wirklich ein Schatz.«
»Nun ja«, sagte sie bescheiden. »Das bin ich. Hauptmann Fraser, möchtet Ihr noch etwas Tee?«
GRAF THOMAS DE LALLY , Baron de Tollendal, wohnte in einem kleinen Privathaus in der Nähe von Spitalfields. Das hatte Jamie von der Herzogin erfahren, die ihn nicht fragte, wozu er diese Information benötigte; genauso wenig wie er sie fragte, warum sie wissen wollte, ob er mit Edward Twelvetrees gesprochen hatte und falls ja, ob Twelvetrees den Namen
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