Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)
konnte sich ein rechter Mann nicht von der Möglichkeit versucht fühlen, sein Leben zurückzuerlangen? Jamie seufzte hilflos, und Lally sah auf. Sein Blick schärfte sich, als er Mitleid in Jamies Gesicht zu sehen glaubte.
»Ach, sorgt Euch nicht um mich, alter Kamerad«, sagte er, und in seiner Stimme lag genauso viel Zuneigung wie Ironie. »Die Marquise von Pelham kehrt nächste Woche aus ihrem Landhaus zurück. Sie hegt eine gewisse tendresse für mich, La Marquise – sie wird mich schon nicht verhungern lassen.«
30
Ganz persönliche Freunde
HERZOG HAROLD VON PARDLOE , Oberst des 46sten Infanterieregiments, suchte in Begleitung seiner Regimentsobersten und seines Bruders, des Oberstleutnants Lord John Grey, die Amtsräume des Disziplinaradvokaten der Armee auf, um die zur Einberufung eines posthumen allgemeinen Kriegsgerichtes gegen einen gewissen Major Gerald Siverly notwendigen Dokumente einzureichen – ausgehend von einer Vielzahl von Vorwürfen, angefangen bei Diebstahl und Korruption über das Versagen bei der Verhinderung einer Meuterei bis hin zu vorsätzlichem Mord, ja, und Hochverrat.
Nach stundenlangen Diskussionen hatten sie sich entschlossen, diesen Schritt sofort zu tun und den Vorwurf des Hochverrats hinzuzufügen. Dies würde für Gerede sorgen – immenses Gerede – und vielleicht noch mehr von Siverlys Kontakten ans Tageslicht bringen. Unterdessen würde man die Männer, die man mit Hilfe von Siverlys Liste als Mitglieder der Wilden Jagd hatte identifizieren können, genauestens beobachten, um zu sehen, ob die Nachricht von der bevorstehenden Verhandlung sie in die Flucht treiben würde, sie zum Handeln veranlassen würde oder sie dazu bewegen würde, sich mit ihren Mitverschwörern zu beraten.
Nach dem Einreichen der Dokumente würde es fast einen Monat dauern, bis das Kriegsgericht zusammentrat. Da Grey die Untätigkeit des Wartens nicht ertragen konnte, lud er Fraser ein, ihn zum Pferderennen nach Newmarket zu begleiten. Zwei Tage später kehrten sie bei ihrer Rückkehr im Beefsteak ein und nahmen sich dort Zimmer, weil sie beabsichtigten, im Club zu speisen und sich umzuziehen, bevor sie am Abend ins Theater gingen.
In unausgesprochenem Einverständnis hatten sie mit keinem Wort über Irland, Siverly, Twelvetrees, Kriegsgerichte oder Versdichtung jeglicher Art gesprochen. Fraser war still, und hin und wieder verlor er sich in seinen Gedanken – doch in der Nähe von Pferden wurde er gelöster, und Grey spürte, wie bei diesem Anblick auch seine eigene Anspannung nachließ. Der Pferde wegen und weil sich Jamie dort relativ frei bewegen konnte, hatte er dafür gesorgt, dass Jamie seine umgewandelte Strafe in Helwater verbrachte. Er konnte sich zwar nicht einreden, dass der Mann mit seinem Sträflingsschicksal zufrieden war, doch zumindest hoffte er, dass er nicht ganz und gar unglücklich war.
Ist es recht von mir, ihn so zu behandeln ?, fragte er, den Blick auf Frasers breiten Rücken gerichtet, als der Schotte vor ihm her aus dem Speisezimmer ging. Wird ihm das etwas geben, woran er sich erinnern kann, woran er gern zurückdenkt, wenn er zurückgeht – oder wird es die Bitterkeit seiner Lage nur verstärken? Gott, ich wünschte, ich wüsste es .
Doch dann … leuchtete in der Ferne die Fackel der Freiheit. Er spürte, wie sich ihm bei diesem Gedanken der Magen verknotete, doch er war sich nicht sicher, ob es aus Angst war, dass Fraser die Freiheit erlangen würde – oder dass es nicht so sein würde. Hal hatte es natürlich als Möglichkeit erwähnt, doch wenn sich tatsächlich herausstellte, dass es eine erneute jakobitische Verschwörung gab, würde das Land einmal mehr in Angst und Hysterie versinken; unter solchen Umständen würde es nahezu unmöglich sein, Frasers vollständige Begnadigung zu erreichen.
Er war so in diesen Gedanken gefangen, dass es einige Momente dauerte, bis er begriff, dass er die Stimme kannte, die zu seiner Rechten aus dem Billardzimmer kam.
Edward Twelvetrees stand am Billardtisch. Er blickte von einem erfolgreichen Stoß auf, und sein Gesicht leuchtete vor Vergnügen, doch dann erblickte er Grey im Flur, und sein Lächeln erstarrte zur zähnefletschenden Fratze. Der Freund, mit dem er gespielt hatte, starrte ihn erstaunt an, dann richtete er das Gesicht verdattert auf Grey.
»Oberst Grey?«, sagte er zögernd. Es war Major Berkeley Tarleton, der Vater von Richard Tarleton, der in Crefeld Greys Fähnrich gewesen war. Natürlich kannte er Grey,
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