Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)
Raphael Wattiswade erwähnt hatte.
Er fragte sich flüchtig, wer dieser Wattiswade war, richtete die Frage aber weder an Grey noch an Pardloe; solange die Herzogin sein Vertrauen respektierte, würde er das ihre ebenso respektieren. Er hatte sie gefragt, ob sie von Tobias Quinn gehört hatte; das war nicht der Fall.
Das überraschte Jamie nicht; falls Quinn in London war – und angesichts dessen, was er über Quinns Pläne wusste, war er sich da so gut wie sicher –, würde er sich ruhig verhalten. Dennoch war es ja möglich, dass er den Druidenkelch als Ansporn für jene Anhänger benutzte, deren Hingabe noch zweifelhaft war – und wenn er den Kelch besaß und den unheilvollen Gegenstand herumzeigte, war es gut möglich, dass es Gerüchte darüber gab.
Er wanderte durch die engen Straßen und fühlte sich fremd in der unvertrauten Stadt. Früher einmal hatte er sich auf Männer berufen können, die er kannte – Männer die er befehligte, oder Männer, die ihn um Hilfe baten –, und auf Netzwerke der Information. Früher hätte er eine Frage verbreitet und einen Mann wie Quinn innerhalb von Stunden gefunden.
Früher.
Entschlossen schob er diesen Gedanken von sich; dieser Teil seines Lebens war vorüber. Seine Entscheidung stand fest, und er hatte nicht vor, sie zurückzunehmen; warum also kamen ihm immer noch solche Gedanken?
»Weil du es immer noch zu Ende bringen musst, Dummkopf«, murmelte er zu sich selbst. Er musste Quinn finden. Er war sich zwar nicht sicher, ob er ihn finden musste, um die Verschwörung der Irischen Brigaden aufzuhalten, bevor sie in die Tat umgesetzt wurde und damit alle Beteiligten zum Tode verurteilte – oder um Quinns willen. Doch finden musste er ihn. Und Thomas Lally war nach wie vor der Mann, der er einmal gewesen war. Auch Lally war zwar ein Gefangener, jedoch einer, der immer noch Anhänger hatte, Informanten, einer, der lauschte und plante. Ein Mann, der die Bühne des Krieges erst verlassen würde, wenn man ihn auf einer Bahre hinuntertrug. Ein Mann, der nicht aufgegeben hat , dachte er mit einer Spur von Verbitterung.
Sein Besuch kam unangekündigt. Es war unhöflich, doch Höflichkeiten interessierten ihn nicht. Er brauchte Informationen und hatte eine bessere Chance, sie zu bekommen, wenn Lally keine Zeit blieb zu entscheiden, ob es klug war, sie ihm anzuvertrauen.
Die Sonne stand hoch am Himmel, als er eintraf; Pardloe hatte ihm zwar angeboten, die Kutsche der Greys zu benutzen, doch er wollte nicht, dass jemand sein Ziel erfuhr, und so war er zu Fuß durch halb London gegangen. Sie machten sich nicht mehr die Mühe, ihm zu folgen; zu sehr waren sie damit beschäftigt, die Mitglieder der Wilden Jagd aufzuspüren. Wie viel Zeit mochte ihm noch bleiben, bis einer dieser Namen sie zu jemandem führte, der redete? Er klopfte an die Tür.
»Hauptmann Fraser.« Zu Jamies Überraschung war es Lally selbst, der ihm öffnete. Auch Lally war überrascht, doch höflich – er trat beiseite und winkte Jamie hinein.
»Ich bin allein«, sagte Jamie, als er sah, dass Lally die Straße entlangblickte, bevor er die Tür schloss.
»Ich auch«, sagte Lally und ließ den Blick trostlos durch das kleine Vorderzimmer schweifen. Dort herrschte Unordnung; der Tisch war voll mit schmutzigem Geschirr und Krümeln, und alles machte einen vernachlässigten Eindruck. »Mein Dienstbote hat mich leider verlassen. Kann ich Euch …« Er wandte sich um und betrachtete ein Wandbord mit zwei oder drei Flaschen, ergriff eine davon, schüttelte sie und war erleichtert, als sie gluckste. »… ein Glas Ale anbieten?«
»Aye, danke.« Er war nicht so dumm, Gastfreundschaft abzulehnen, vor allem nicht unter solchen Umständen, und sie setzten sich an den Tisch – einen anderen Platz zum Sitzen gab es nicht – und schoben das schmutzige Geschirr, die grüne Käserinde und eine tote Kakerlake beiseite. Jamie fragte sich, ob das Tier wohl verhungert oder an einer Vergiftung gestorben war.
»Und«, sagte Lally, nachdem sie die nötigsten Allgemeinplätze ausgetauscht hatten, »habt Ihr Eure Wilde Jagd gefunden?«
»Die Engländer glauben, sie haben sie gefunden«, sagte Jamie. »Obwohl es vielleicht auch nicht mehr sein könnte als ein Windei.«
Lallys Augen weiteten sich neugierig, doch er verhielt sich noch zurückhaltend.
»Ich habe gehört, dass Ihr mit John Grey in Irland wart«, stellte er fest und seufzte schwach. »Ich war seit Jahren nicht mehr dort. Ist es immer noch grün und
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