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Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)

Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)

Titel: Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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er, aye.« Fraser erhob sich plötzlich und trat ans Fenster, um hinauszuschauen. Er stützte sich auf den Fensterrahmen, das Gesicht abgewandt.
    »Wisst Ihr, wo er ist?«, fragte Grey leise, und Fraser schüttelte den Kopf.
    »Ich würde es Euch zwar nicht sagen, wenn ich es wüsste«, sagte er genauso leise. »Aber ich weiß es nicht.«
    »Würdet Ihr ihn warnen, wenn Ihr könntet?«, fragte Grey. Er sollte das nicht fragen, doch seine Neugier war zu groß.
    »Ja«, erwiderte Fraser, ohne zu zögern. Jetzt drehte er sich wieder um und blickte ausdruckslos zu Grey hinunter. »Er ist einmal mein Freund gewesen.«
    Ich auch , dachte Grey und trank noch etwas Brandy. Bin ich es wieder? Doch selbst die größte Neugier würde ihn nicht dazu bewegen, das zu fragen.

35
    Gerechtigkeit
    Das Kriegsgerichtsverfahren gegen Major Gerald Siverly (verstorben) war gut besucht. Vom Herzog von Cumberland (der versucht hatte, sich in das Richtergremium wählen zu lassen, jedoch von Hal daran gehindert worden war) bis hin zum letzten Fleet-Street-Schreiber strömte alles in die Guildhall, die der größte verfügbare Raum war.
    Lord John Grey war zwar bleich, und er humpelte noch, doch weder sein Blick noch seine Stimme zitterten, als er vor dem Gremium – das aus fünf Offizieren unterschiedlicher Regimenter bestand, Siverlys Regiment war nicht darunter – und dem Disziplinaradvokaten aussagte. Die Papiere, die dem Gericht vorlagen, habe er in Kanada von Hauptmann Charles Carruthers erhalten, wo Carruthers unter Siverly gedient habe und damit Zeuge der darin beschriebenen Handlungen geworden sei. Er berichtete weiter, dass er, Grey, von Carruthers persönlich noch weitere Schilderungen gehört habe, die ihn geneigt machten, den vorliegenden Beweismitteln Glauben zu schenken.
    Kriegsgerichte folgten keinem festgelegten Protokoll; es gab keine Anklagebank, keine Bibel, keine Anwälte, keine Regeln der Beweisführung. Jeder, der dies wünschte, konnte als Zeuge aussagen oder Fragen stellen, was auch eine ganze Reihe von Leuten taten – einschließlich des Herzogs von Cumberland, der seinen massigen Leib nach vorn schob, bevor sich Grey wieder setzen konnte, und auf ihn zutrat, bis er ihm aus einem Abstand von fünfzehn Zentimetern ins Gesicht funkelte.
    »Ist es wahr, Mylord«, fragte Cumberland triefend vor Sarkasmus, »dass Euch Major Siverly bei der Belagerung von Quebec das Leben gerettet hat?«
    »So ist es, Eure Durchlaucht.«
    »Und kennt Ihr denn gar keine Scham, Eure Schuld gegenüber einem Waffenbruder so zu verraten?«
    »Nein«, erwiderte Grey ruhig, obwohl sein Herzschlag unstet war. »Major Siverlys Verhalten auf dem Schlachtfeld war ehrenhaft und ritterlich – doch er hätte dasselbe auch für jeden anderen Soldaten getan, genau wie ich auch. Aber wenn ich die Hinweise auf seine Korruption und seine Unterschlagungen abseits dieses Feldes für mich behalten hätte, wäre dies dem Verrat an der gesamten Armee gleichgekommen, in der zu dienen ich die Ehre habe, und dem Verrat an allen Kameraden, an deren Seite ich im Lauf der Jahre gekämpft habe.«
    »Hört! Hört!«, rief eine Stimme aus dem hinteren Teil des Saales, die er für Harry Quarrys hielt. Allgemeines Beifallsgemurmel erfüllte den Saal, und Cumberland zog sich – nach wie vor böse mit den Augen funkelnd – zurück.
    Die Vernehmung der Zeugen dauerte den ganzen Tag, und eine ganze Reihe von Offizieren aus Siverlys Regiment meldeten sich zu Wort. Einige von ihnen hatten nur Gutes über den Charakter des Toten zu sagen, doch andere – viele andere – berichteten von Vorfällen, die Carruthers’ Bericht stützten. Regimentsloyalität zählte zwar viel, dachte Grey – doch die Regimentsehre zählte mehr, und dieser Gedanke erfreute ihn.
    Allmählich verschwamm der Tag zu einem Gewimmel von Gesichtern, Stimmen, Uniformen, harten Stühlen, Zwischenrufen, die von den gigantischen Deckenbalken widerhallten, der einen oder anderen Rangelei, die von den Wachtposten beendet wurde … und am Ende fand er sich draußen auf der Straße wieder, abseits der aufgewühlten Menge, die aus der Guildhall geströmt war.
    Hal, der der ranghöchste Offizier des Gerichtes gewesen war, stand auf der anderen Straßenseite und redete eindringlich auf den Disziplinaradvokaten ein, der mit dem Kopf nickte. Es war später Nachmittag, und die Schornsteine Londons spuckten kräftig Rauch, weil jetzt die Kaminfeuer für den Abend angezündet wurden. Dankbar sog Grey die verqualmte

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