Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)
ihr Eintreffen in Helwater würde den Tod der Beziehung bedeuten, die zwischen ihnen entstanden war. Sie konnten nicht länger wie Gleichgestellte miteinander umgehen.
Gewiss würden sie hin und wieder miteinander reden; das hatten sie ja immer schon getan. Doch es würden steife, förmliche Gespräche zwischen Kerkermeister und Sträfling sein. Und sie würden selten sein.
Es wird mir fehlen , dachte John, den Blick auf Jamie gerichtet, der vor ihm einen steilen Abhang hinunterritt und sich weit im Sattel zurückgelehnt hatte. Sein Zopf schwang ihm auf dem Rücken hin und er, während sich das Pferd schlitternd seinen Weg bahnte. Etwas melancholisch fragte er sich, ob Jamie ihre Gespräche wohl auch vermissen würde – doch er war nicht so dumm, sich in diesen Gedanken zu vertiefen.
Er schnalzte mit der Zunge, und sein Pferd begann mit dem Abstieg nach Helwater.
Die Auffahrt war langgezogen und gewunden, doch als sie um die letzte Kurve bogen, sah er mehrere dick eingewickelte Gestalten, die auf dem Rasen frische Luft schnappten, allesamt Frauen: Lady Dunsany und Isobel und einige Dienstmägde. Peggy, das Kindermädchen, mit William im Arm … und Betty Mitchell.
Er spürte, wie Fraser neben ihm erstarrte und sich bei diesem Anblick ein wenig im Sattel erhob. Greys Herz verkrampfte sich, als er die plötzliche Eile des Schotten spürte.
Seine Sache , rief er sich im Stillen ins Gedächtnis und folgte seinem Gefangenen auf dem Weg in den Kerker.
HANKS WAR TOT .
»Schneller als verdient«, stellte Crusoe leidenschaftslos fest. »Ist eines Morgens die Leiter hinuntergerutscht und hat sich den Hals gebrochen. Als wir ihn aufgehoben haben, war er schon tot.« Crusoe warf Jamie einen Seitenblick zu; es war klar, dass er nicht genau wusste, was er von Jamies Wiederauftauchen halten sollte. Einerseits konnte Crusoe die Arbeit nicht annähernd allein bewerkstelligen, und Jamie musste nicht mehr eingearbeitet werden. Andererseits war es möglich, dass Jamie auf Hanks’ Tod hin Stallmeister wurde, und möglicherweise fürchtete Crusoe die Folgen, die das haben konnte.
»Gott sei seiner Seele gnädig«, sagte Jamie und bekreuzigte sich. Er würde die Frage, wer Stallmeister werden sollte, erst einmal auf sich beruhen lassen. Wenn Crusoe mit dieser Verantwortung zurechtkam, sollte er sie gern haben. Wenn nicht … blieb ihm später noch genug Zeit, sich damit zu befassen.
»Dann bewege ich Eugenie und die anderen Pferde, aye?«, sagte er beiläufig. Crusoe nickte etwas unsicher, und Jamie stieg die Leiter zum Heuboden hinauf, um den Sack mit seinen Habseligkeiten dort abzulegen.
Bei seiner Rückkehr war er besser gekleidet als bei seinem Aufbruch; sein Hemd und seine Hose waren zwar grob, aber neu, und er hatte drei Paar Wollstrümpfe in seinem Sack, einen guten Ledergürtel und einen Schlapphut aus schwarzem Filz, den ihm Tom Byrd geschenkt hatte. Er verstaute diese Gegenstände in der Kiste, die neben seinem Strohlager stand, und vergewisserte sich gleichzeitig, dass alles, was er darin zurückgelassen hatte, noch da war.
So war es. Die kleine Statue der Jungfrau, die ihm seine Schwester geschickt hatte, eine getrocknete Maulwurfspfote gegen Rheumatismus – er nahm sie an sich und steckte sie in den kleinen Ziegenlederbeutel an seiner Taille; seit Irland schmerzte ihn das rechte Knie, wenn es morgens feucht war –, ein Bleistiftstummel, eine Zunderschachtel und ein getöpferter Kerzenständer mit einem Sprung, in dem sich noch einige Zentimeter geschmolzenes Wachs befanden. Ein Häufchen Kieselsteine, die er aufgehoben hatte, weil sie ihm gut in der Hand lagen oder eine hübsche Farbe hatten. Er zählte sie; es waren elf Stück: jeweils einer für seine Schwester, für Ian, für seinen Neffen Jamie, für Maggie, Kitty, Janet, Michael und den kleinen Ian, einer für seine Tochter Faith, die bei der Geburt gestorben war, und noch einer für das Kind, das Claire unter dem Herzen getragen hatte, als sie ging, und der letzte – ein ungeschliffener Amethyst – für Claire selbst. Er würde jetzt nach einem weiteren Stein Ausschau halten müssen: dem richtigen Stein für William. Er fragte sich flüchtig, warum er das noch nicht getan hatte. Wohl weil er nicht an sein Recht geglaubt hatte, William auch nur in der Zurückgezogenheit seines eigenen Herzens für sich zu beanspruchen.
Er war froh, wenn gleichzeitig höchst überrascht, alles unberührt vorzufinden. Es konnte natürlich daran liegen, dass es nichts gab,
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