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Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)

Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)

Titel: Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Gold. Und er begriff, woher er den Klang kannte: Es klang wie die Rufe der Wildgänse.
    Inzwischen waren sie näher gekommen, so nah, dass er ihre Gesichter und die Einzelheiten ihrer Kleidung ausmachen konnte. Sie waren zum Großteil schlicht gekleidet und trugen grob gesponnenes Leinen, außer einer weiß gekleideten Frau – warum ist ihr Rock nicht voller Schlamm ? Und dann sah er mit leisem Erschrecken, dass ihre Füße den Boden gar nicht berührten –, die ein Messer mit einer langen, geschwungenen Klinge und einem glitzernden Knauf in der Hand trug. Ich muss daran denken, Vater Michael zu erzählen, dass es doch kein Schwert war .
    Jetzt sah er eine weitere Ausnahme vom schlichten Auftreten der gespenstischen Schar – denn es war eine Schar, mindestens dreißig Leute. Hinter der Frau kam ein hochgewachsener Mann mit nacktem Oberkörper und einer schlichten Kniehose, der einen Umhang aus einem karierten Gewebe trug. Der Mann trug ein Seil um den Hals, und Jamie schnappte nach Luft, als spürte er, wie sich auch um seinen Hals eine Schlinge zog.
    Wie lauteten noch die Namen, die ihm Vater Michael gesagt hatte?
    »Esus«, sagte er, ohne zu merken, dass er es laut sagte. »Taranis. Teutates.« Und wie ein Uhrwerk wandte sich ihm erst der Kopf eines Mannes zu, dann der eines zweiten – und schließlich richtete die Frau ihren Blick auf ihn.
    Er bekreuzigte sich und bat die Heilige Dreifaltigkeit mit lauten Worten um Hilfe, und die älteren Götter wandten die Blicke ab. Einer von ihnen, so erkannte er jetzt, trug einen hölzernen Hammer.
    Er hatte sich schon oft gefragt, wie es geschehen konnte, dass Lots Frau zu einer Salzsäule wurde, doch jetzt begriff er, wie das möglich war. Erstarrt sah er zu, wie die Hörner zum dritten Mal ertönten und die Geisterschar knapp über der schimmernden Oberfläche des Moors schwebend zum Halten kam und einen Kreis um den hochgewachsenen Mann bildete. Er überragte die anderen um Kopfesgröße, und nun entflammte die Sonne sein Haar. Die Frau in Weiß trat auf ihn zu und hob ihre Klinge, der Mann mit dem Hammer trat feierlich hinter den hochgewachsenen Mann, und ein dritter griff nach dem Ende des Strickes an seinem Hals.
    »Nein!«, rief Jamie, der plötzlich wie aus der Erstarrung erwachte. Er holte mit dem Arm aus und schleuderte den Cupán so fest wie möglich in die Mitte der Geisterschar. Er landete platschend im Moor, und die Gestalten verschwanden.
    Er blinzelte, dann blickte er mit zusammengekniffenen Augen in das Gleißen der untergehenden Sonne. An der Oberfläche des schweigenden Moors regte sich nichts, und kein Vogel sang. Mit der plötzlichen Energie eines Verrückten packte er den Spaten und schaufelte wie wild, glättete das Grab, klemmte sich den Umhang unter den Arm und rannte los. Das Wasser spritzte ihm von den Sandalen, als er den hölzernen Pfad betrat, der halb unter Wasser lag.
    Hinter sich glaubte er, das Echo wilder Gänse zu hören, und er musste sich einfach noch einmal umsehen.
    Da waren sie wieder. Sie hatten ihm den Rücken zugekehrt und bewegten sich jetzt von ihm fort auf die untergehende Sonne zu. Vom Glitzern der geschwungenen Hörner sah er nichts. Doch er glaubte, das karierte Tuch in der Menge aufleuchten zu sehen – vielleicht der Umhang des hochgewachsenen Mannes. Gewiss war es nur eine Täuschung des schwindenden Lichts, dass das karierte Tuch rosa zu leuchten schien.

FÜNFTER TEIL
    Von Vater zu Sohn

38
    Wieder da
    Sie redeten nicht viel auf dem Weg nach Helwater. Tom war natürlich bei ihnen – doch im Prinzip gab es nicht viel zu sagen.
    Es war zwar erst Frühherbst, aber das Wetter war sehr schlecht geworden. Strömender Regen verwandelte die Straßen in Schlamm, und der Wind peitschte das Laub von den Bäumen, so dass sie feucht waren oder bis auf die Haut durchnässt, mit Schlamm bespritzt, aber auch mit bunten Flicken aus Rot und Gelb beklebt. Jeden Abend trafen sie durchgefroren und mit blauen Lippen in einem Wirtshaus ein und wünschten sich nichts außer Wärme und Essen.
    Sie teilten sich ein Zimmer, niemals jedoch ein Bett. Wenn es nicht genug Betten gab, schlief Jamie in seinen Umhang gehüllt bei Tom auf dem Boden. Gern hätte John in der Dunkelheit ihrem Atem gelauscht, doch gewöhnlich überwältigte ihn die Erschöpfung noch im selben Moment, in dem er sich hinlegte.
    Er fühlte sich beinahe so, als eskortierte er Jamie zu seiner Hinrichtung. Fraser würde zwar weiterleben – zufrieden, wie er hoffte –, doch

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