Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)
Moment, als die Nachricht aus dem Haus kam, dass Lady Isobel einen Stallknecht brauchte, der sie in den Ort fuhr. Hanks war am Morgen von der Leiter gefallen und hatte sich den Arm gebrochen – zumindest sagte er, dass er gebrochen war –, um sich dann stöhnend auf den Heuboden zurückzuziehen und darauf zu warten, dass sich der örtliche Rossdoktor um ihn kümmerte, und Crusoe mied den Ort, seit er bei seinem letzten Besuch in einen Streit mit einem Schmiedelehrling geraten war, von dem er eine plattgeklopfte Nase und zwei Veilchen mit nach Hause gebracht hatte.
»Mach du das, MacKenzie«, sagte Crusoe und tat so, als beschäftigte er sich mit einem Stück Fahrgeschirr, das geflickt werden musste. »Ich übernehme deine Pferde.«
»Aye, danke.« Er freute sich darauf, Helwater zumindest eine Weile hinter sich lassen zu können. Das Anwesen war zwar groß, doch das Gefühl, dass er es nicht verlassen konnte, wann er wollte, engte ihn ein. Sein letzter Besuch im Ort war mehrere Monate her; er freute sich auf den Ausflug, auch wenn er dabei mit Lady Isobel zu tun bekam.
Isobel war keine Reiterin, wie es ihre Schwester Geneva gewesen war. Sie war zwar nicht ängstlich im Umgang mit Pferden, aber sie mochte sie nicht, und die Pferde wussten das. Sie mochte auch Jamie nicht, und er wusste das genau, denn sie machte keinen Hehl daraus.
Kein Wunder , dachte er, während er ihr auf den Wagen half. Wenn Geneva es ihr erzählt hat, denkt sie wahrscheinlich, dass ich ihre Schwester umgebracht habe . Er ging stark davon aus, dass Geneva ihrer Schwester von seinem Besuch in ihrem Zimmer erzählt hatte; die Schwestern hatten einander sehr nahegestanden. Mit ziemlicher Sicherheit hatte sie Isobel aber nicht erzählt, dass sie ihn durch Erpressung in ihr Bett geholt hatte.
Isobel würdigte ihn keines Blickes und riss ihren Ellbogen an sich, sobald ihre Füße den Bretterboden der Ponykutsche betraten. Das war nichts Ungewöhnliches – doch heute drehte sie plötzlich den Kopf zur Seite und fixierte ihn mit einem seltsamen, durchdringenden Blick, bevor sie sich abwandte und an ihrer Unterlippe nagte.
Er stieg neben ihr auf den Kutschbock und trieb das Pony mit einer Bewegung der Leinen zum Gehen an, doch dabei war ihm bewusst, dass ihm ihre Augen ein Loch in die rechte Schulter brannten.
Was ist ihr nur über die Leber gelaufen ?, fragte er sich. Hatte die verflixte Betty etwas zu ihr gesagt? Ihn vielleicht beschuldigt, sich ihr angenähert zu haben? War es das, was das Weibsbild mit »Ich erzähle es« gemeint hatte?
Verdammt, dachte er gereizt. War es denn nicht möglich, einer Frau den Beischlaf zu verweigern, ohne dass man sie erzürnte? Nun … wahrscheinlich nicht. Er dachte plötzlich an Laoghaire MacKenzie und einen bösen Zauber, ein Kräuterbündel, das mit buntem Zwirn zusammengebunden war … und schob die Erinnerung fest beiseite.
AUF LADY ISOBELS ANWEISUNG setzte er sie vor einem imposanten Steingebäude ab, mit der Anordnung, in drei Stunden zurückzukommen. Er nickte – sie sah ihn finster an; sie fand ihn unverschämt, weil er sich nie an die Stirn tippte, was sie für den angemessenen Ausdruck von Achtung hielt ( Zum Kuckuck mit dem hochnäsigen Frauenzimmer , dachte er und lächelte freundlich.) – und fuhr zum Dorfplatz, wo er das Pony abspannen und tränken konnte.
Die Leute sahen ihn zwar an, verblüfft über seine Körpergröße und seine Haarfarbe, doch dann kümmerten sie sich wieder um ihre eigenen Angelegenheiten und überließen ihn den seinen. Er hatte zwar kein Geld, doch er genoss es auch so, durch die engen Straßen zu schlendern, und weidete sich an dem Gefühl, dass kein Mensch auf der Welt genau wusste, wo er war – selbst wenn es nur für kurze Zeit war. Der Tag war sonnig, aber kalt, und in den Gärten blühten die ersten Schneeglöckchen, Tulpen und Osterglocken, die sich im Wind wiegten. Die Osterglocken erinnerten ihn wieder an Betty, doch er war gerade zu sehr mit sich selbst in Frieden, um sich aufstören zu lassen.
Der Ort war nur klein, und er kam mehrmals an dem Haus vorbei, wo er Isobel zurückgelassen hatte. Beim vierten Mal jedoch erblickte er die vom Wind verwehten Federn ihres Hutes durch das noch dünn belaubte Gebüsch im Garten. Überrascht ging er bis zum Ende der Straße weiter und bog dort um die Ecke. Von hier aus hatte er eine klare Aussicht auf den Garten, der ordentlich gepflegt und von einem schmiedeeisernen Zaun umgeben war – und eine sehr klare
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