Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)
aus und drehte den Kopf hin und her wie eine Eule, erstaunt, sich plötzlich in solcher Höhe wiederzufinden.
Erleichterung durchspülte ihn, als ihm die großen Augen des Kindes entgegenblickten. Sein schlechtes Gewissen hatten ihn zu der Überzeugung gebracht, dass William eine getreue kleine Replik seiner selbst sein musste und jeder, der sie zusammen sah, die Ähnlichkeit sofort bemerken würde. Doch mit seinem runden Gesicht und seiner Stupsnase hatte William nicht die geringste Ähnlichkeit mit seinen eigenen Gesichtszügen, und man konnte die Augen des Kindes zwar als blau bezeichnen, doch sie waren blassblau, ein undefinierbarer Farbton zwischen Grau und Blau, die Farbe des bewölkten Himmels.
Ihm blieb keine Zeit zu weiteren Beobachtungen, denn schon hob er die Arme, um den kleinen Jungen auf den Rücken des Pferdes zu setzen. Doch als er dann die rundlichen Händchen ergriff, um sie an der Sattelkante festzuklammern, und in einem Ton losplauderte, der Pferd und Kind gleichermaßen beruhigte, sah er, dass Williams Haar – Gott sei Dank! – alles andere als rot war. Ein weiches Mittelbraun, das zu einer Puddingschüsselfrisur geschnitten war wie bei Cromwells Rundkopfsoldaten. Zugegeben, in der Sonne hatte es einen rötlichen Schimmer, doch Genevas Haar war schließlich kastanienbraun gewesen.
Er sieht aus wie seine Mutter , dachte er und richtete ein inbrünstiges Dankgebet an die Heilige Jungfrau.
»Also, Willie«, sagte Lord Dunsany und klopfte dem Jungen auf den Rücken. »Halt dich schön fest. MacKenzie führt dich über die Koppel.«
Willie reagierte mit einer ausgesprochen skeptischen Miene auf diesen Vorschlag, und sein Kinn zog sich in den Kragen seines Hemdchens zurück. »Mei!«, sagte er, ließ den Sattel los und schwang sein fettes Beinchen ungeschickt nach hinten, um vom Pferd zu kommen, obwohl sich der Boden mehr als anderthalb Meter unter ihm befand.
Jamie packte ihn, bevor er fallen konnte.
»Mei!«, wiederholte Willie und versuchte, aus dem Sattel zu kommen. »Meimeimeimeimei!«
»Er meint ›nein‹«, murmelte die Kinderschwester nicht unerfreut und streckte die Arme nach dem Jungen aus. »Ich habe doch gesagt, er ist zu jung. Komm zu Tante Elspeth, Schätzchen. Wir gehen nach Hause und essen schön etwas.«
»Mei!«, sagte Willie schrill und warf sich unerwartet herum, um sich an Jamies Brust zu verkriechen.
»Aber, aber«, sagte sein Großvater beruhigend und streckte die Arme nach ihm aus. »Komm zu mir, Junge, dann gehen wir …«
» MEIMEIMEIMEIMEIMEI …«
Jamie legte dem Kind eine Hand auf den Mund und setzte dem Lärm vorübergehend ein Ende.
»Wir gehen zu den Pferden und unterhalten uns mit ihnen, aye?«, sagte er entschlossen und hievte sich das Kind auf die Schultern, bevor Willie auf die Idee kommen konnte, wieder loszukreischen. Abgelenkt von seinem fantastischen neuen Aussichtspunkt packte Willie krähend nach Jamies Haar. Ohne etwaige Einwände abzuwarten, packte Jamie die runden Knie, die sich um seine Ohren geklemmt hatten, und hielt auf den Stall zu.
»Also, dieser brave alte Junge ist Deacon«, sagte er und ging in die Knie, um Willie auf Augenhöhe mit dem alten Wallach zu bringen, der sogleich den Kopf hob und neugierig die Nüstern blähte. »Wir nennen ihn Deke. Kannst du das sagen? Deke?«
Willie quietschte auf und zog Jamie an den Haaren, doch er wich nicht zurück, und kurz darauf streckte er, ermutigt durch seinen Großvater, die Hand aus und wagte eine hastige Berührung. »Diek«, sagte er und lachte verzaubert. »Diek!«
Jamie achtete darauf, nur solche Pferde zu besuchen, die vom Alter und Temperament her versprachen, lieb zu einem zweijährigen Kind zu sein, doch er freute sich – genau wie Lord Dunsany – zu sehen, dass William keine Angst vor den enormen Tieren hatte. Jamie behielt den alten Mann genauso sorgfältig im Auge wie das Kind; Seine Lordschaft hatte eine kranke Hautfarbe, seine Hände waren nur noch Haut und Knochen, und Jamie konnte die Luft in seinen Lungen pfeifen hören, wenn er atmete. Allen Umständen zum Trotz mochte er Dunsany sehr, und er hoffte, dass der Baron nicht kurz davor stand, in der Stallgasse zu sterben.
»Oh, da ist ja mein guter Phil«, sagte Dunsany, und ein Lächeln breitete sich über sein Gesicht, als sie sich einer der großen Boxen näherten. Beim Klang seiner Stimme hob Philemon, ein bildschöner achtjähriger Dunkelbrauner, den Kopf und betrachtete sie einen Moment lang offen durch seine langen
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