Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)

Du wirst bestimmt auch ein großer Pferdekenner, nicht wahr?«, sagte er, jetzt wieder an Willie gerichtet.
    »Ja!«
    »Guter Junge, guter Junge.« Er streckte die Hand aus und fuhr Willie durch die Haare. Willie sah ihn finster an. »Und schon in Hosen? Ganz schön früh.« Er tat so, als schnüffelte er. »Riecht etwas streng. Ihr habt Euch doch nicht in die Hose geschissen, Mylord?« Er kicherte glucksend über seinen eigenen Witz.
    William kniff die Augen zusammen – eine Miene, die Jamie lebhaft an seine Schwester kurz vor einem Wutausbruch erinnerte. Einmal mehr dankte er Gott dafür, dass das Gesicht des Jungen so rundlich und stupsnasig war, und hielt sich bereit, ihn zu packen, falls er versuchte, Mr Lowens vor das Schienbein zu treten.
    Stattdessen jedoch funkelte der junge Graf den Bauern einfach nur an und sagte laut und deutlich: » NNNNNNEIN !«
    »Oh!«, sagte Lowens lachend. »Mein Fehler. Entschuldigung, Mylord.«
    »Wir müssen los, Sir«, sagte Jamie hastig, bevor William auch nur einen der Gedanken, die ihm unübersehbar durch den Kopf gingen, in die Tat umsetzte. Er schwang den Jungen in die Höhe und hielt ihn kopfunter an den Füßen fest. »Zeit für den Tee, Eure Lordschaft.«

6
    Der Ruf der Trommel
    Am Ende kam Peggy gar nicht zurück. Jamie trug William – diesmal richtig herum – zum Haus zurück und lieferte ihn bei einem der Küchenmädchen ab, das ihm erzählte, Peggy habe es »übel erwischt«, doch sie würde den kleinen Herrn zu Lady Isobel bringen.
    Willie widersprach diesem Vorschlag lautstark – so lautstark, dass Isobel persönlich erschien – und ließ sich nur durch das Versprechen besänftigen, dass er den Stall morgen wieder besuchen dürfte. Jamie wich Isobels hartem Blick sorgfältig aus und zog sich zurück, so schnell er konnte.
    Er fragte sich, ob William wirklich wiederkommen würde. Isobel würde ihn nicht in den Stall bringen, dessen war er sich sicher. Doch wenn sich Peggy besser fühlte und William darauf bestand – William schien ihm selbst für einen Zweijährigen ein einmalig stures Kind zu sein. Er lächelte bei diesem Gedanken.
    Ich weiß gar nicht, woher er das hat , dachte er und fragte sich plötzlich, ob sein anderer Sohn wohl genauso war. Claires Sohn.
    Herr , dachte er automatisch wie immer, wenn er an die beiden denken musste, lass sie gerettet sein. Sie und das Kind .
    Wie alt würde sein erstes Kind jetzt sein? Er musste einen Kloß im Hals hinunterschlucken, verfolgte den Gedanken jedoch unbeirrt weiter. Claire war im zweiten Monat gewesen, als sie durch die Steine geschritten war, zurück zu Frank.
    »Gott segne dich, du verdammter englischer Schuft«, murmelte er. Das war sein gewohntes Gebet, wenn ihm Jack Randall in den Sinn kam – etwas, das er zu vermeiden versuchte, doch hin und wieder … »Pass gut auf sie auf!«
    Das war im zweiten Monat – und es war der 16. April Anno Domini 1746 gewesen. Jetzt war es wieder April, und zwar 1760. Wenn die Zeit normal weiterverlief – er sah keinen Grund, warum sie das nicht tun sollte –, würde das Kind fast vierzehn sein.
    »Himmel, er ist schon fast ein Mann«, flüsterte er, und seine Hand schloss sich so fest um den Zaunbalken, dass er die Körnung des Holzes spüren konnte.
    Genau wie an Frank Randall bemühte sich Jamie, nicht zu intensiv an Claire oder an das unbekannte Kind zu denken. Es schmerzte zu sehr, rief ihm zu lebhaft ins Bewusstsein, was er einmal gehabt und was er verloren hatte.
    Solange er während der ersten Jahre nach Culloden in einer Höhle auf seinem Anwesen Lallybroch lebte, hatte er diese Gedanken gar nicht verdrängen können. Dort hatte es einfach zu wenig gegeben, womit er sich beschäftigen konnte, und sie hatte sich in seinen Kopf gestohlen, seine Familie, hatte im Rauch aufgeleuchtet, wenn er an seinem kleinen Feuer saß – wenn er sich sicher genug gefühlt hatte, eins anzuzünden –, oder im Sternenlicht geschimmert, wenn er des Nachts vor der Höhle saß und den Himmel beobachtete, dieselben Sterne sah, die auch sie sehen mussten, sich an dem ewigen Licht tröstete, das sanft über ihm und den Seinen lag.
    Dann hatte er sich seinen Sohn vorgestellt, sich vorgestellt, einen kleinen Körper aus Fleisch und Blut auf dem Knie zu halten, den Herzschlag des Kindes an seinem Herzen zu spüren – und seine Hände krümmten sich, ohne dass er es wollte, als er sich jetzt daran erinnerte, wie sich William in seinen Armen angefühlt hatte.
    AM NÄCHSTEN MORGEN trug