Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)
GEWIRR von Fußgängern, Handkarren, Kutschen und Pferden, dass es über eine Stunde dauerte, bis die Kutsche schließlich vor einem großen Haus hielt, das auf einem ummauerten Grundstück am Rand eines weitläufigen, offenen Parks stand. Er starrte es erstaunt an. Wenn schon nicht in den Tower, so hatte er doch erwartet, dass man ihn in einen Kerker bringen würde. Wer zum Teufel wohnte hier, und was wollte derjenige von ihm?
Die Soldaten sagten es ihm nicht, und er weigerte sich zu fragen.
Zu seinem Erstaunen führten sie ihn die Marmortreppe zur Eingangstür hinauf, wo sie ihn warten ließen, während der Leutnant den Türklopfer betätigte und dann mit dem Butler sprach, der ihm öffnete. Der Butler war ein kleiner, adretter Mann, der bei Jamies Anblick ungläubig die Augen zukniff und sich dann an den Leutnant wandte, weil er eindeutig Einwände hatte.
»Seine Durchlaucht hat uns aufgetragen, ihn zu holen, und ich habe ihn geholt«, sagte der Leutnant ungeduldig. »Lasst uns herein!«
Seine Durchlaucht? Ein Herzog? Was zum Teufel konnte ein Herzog von ihm wollen? Der einzige Herzog, den er kannte, war … Gott … Cumberland? Das Herz schlug ihm ohnehin schon bis zum Hals; jetzt bewegte sich sein Magen in dieselbe Richtung. Er hatte den Herzog von Cumberland nur ein einziges Mal gesehen. Als er das Schlachtfeld von Culloden verlassen hatte, verletzt unter einer Ladung Heu auf einem Wagen verborgen. Der Wagen hatte die Regierungstruppen passiert, als es Abend wurde, und er hatte das große Zelt gesehen, vor dem eine kräftige Gestalt gereizt mit einem goldverbrämten Hut den Rauch fortwedelte. Den Rauch der brennenden Leiber – den Rauch der toten Jakobiten.
Er spürte, wie die Soldaten zusammenzuckten und ihn aufgeschreckt anstarrten. Er erstarrte, die geballten Fäuste an den Seiten, doch die Kälte und die Angst waren fort, verbrannt in dem Gefühl der Wut, das abrupt in ihm aufstieg und ihn mit sich aufwärtsriss.
Sein Herz schlug schmerzhaft, denn plötzlich hatte seine Zukunft eine Gestalt. Keine langen Tage des bloßen Überlebens mehr. Er hatte ein Ziel, das seine Seele erglühen ließ.
Der Butler wich zurück, zögernd, jedoch unfähig, sich zu widersetzen. Aye. Schön. Alles, was er tun musste, war, sich umsichtig zu verhalten, bis er in Reichweite des Herzogs war. Er öffnete und schloss die linke Hand. Vielleicht gab es ja ein Messer, einen Brieföffner, irgendetwas … doch das war nicht so wichtig.
Der Leutnant ruckte mit dem Kopf, und er setzte sich in Bewegung, bevor die Gefreiten seine Arme packen konnten. Er sah, wie sich der Blick des Butlers auf seine Füße richtete und der Mann verächtlich den Mund verzog. Im Korridor öffnete sich eine Tür, in der flüchtig ein Frauengesicht erschien. Sie erblickte ihn, keuchte auf und schloss die Tür.
Er hätte sich die Sandalen sogar abgewischt, wenn sie ihm Zeit gelassen hätten; es war ja gar nicht seine Absicht, das Haus zu beschmutzen oder wie der Barbar auszusehen, für den sie ihn offensichtlich hielten. Doch die Männer drängten ihn weiter, einer auf jeder Seite, und er hatte erst recht nicht den Wunsch, ihnen eine Entschuldigung dafür zu liefern, Hand an ihn zu legen. Also schritt er weiter und ließ Krümel aus getrocknetem Schlamm und verkrustetem Dung auf dem gebohnerten Boden des Korridors zurück.
Die Tür des Zimmers stand offen, und sie schoben ihn ohne Umschweife hinein. Sein Blick war überall gleichzeitig, schätzte Abstände ein, prüfte Gegenstände auf ihre Tauglichkeit als Waffen, und es dauerte einen langen Moment, bis sein Blick auf den des Mannes traf, der am Schreibtisch saß.
Einen weiteren Moment lang weigerte sich sein Verstand zu begreifen, und er kniff die Augen zu. Nein, es war nicht Cumberland. Nicht einmal der Lauf der Jahre hätte einen untersetzten deutschen Prinzen in den schlanken Mann mit den feinen Gesichtszügen verwandeln können, der ihm stirnrunzelnd über das glänzende Holz hinweg entgegensah.
»Mr Fraser.« Eigentlich war es keine Frage, und es war auch eigentlich keine Begrüßung, auch wenn der Mann höflich den Kopf neigte.
Jamie atmete, als sei er eine Meile weit gerannt, und seine Hände zitterten sacht, während sein Körper versuchte, die Wut zu verbrennen, die jetzt kein Ziel mehr hatte.
»Wer seid Ihr?«, fragte er schroff.
Der Mann warf dem Leutnant einen scharfen Blick zu.
»Habt Ihr ihm nichts erzählt, Mr Gaskins?«
Gaskins. Wenigstens kannte er jetzt den Namen des
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