Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)
Mistkerls. Und es war ihm ein Vergnügen zu sehen, wie er erst rot und dann weiß wurde.
»Ich … äh … ich … nein, Sir.«
»Lasst uns allein, Leutnant.« Der Mann erhob die Stimme nicht, und doch klang sie schneidend wie eine Rasierklinge. Er ist Soldat , dachte Jamie und dann, ich kenne ihn . Doch woher …?
Der Mann erhob sich, ohne Leutnant Gaskins hastigen Rückzug zu beachten.
»Verzeihung, Mr Fraser«, sagte er. »Hat man Euch unterwegs misshandelt?«
»Nein«, erwiderte er automatisch und durchforschte das Gesicht vor ihm. Es war ihm bemerkenswert vertraut, und doch hätte er geschworen, dass er den Mann nicht … »Warum bin ich hier?«
Der Mann holte tief Luft; seine Stirn glättete sich, und in diesem Moment sah Jamie die Form seines Gesichts, feinknochig und von großer Schönheit, wenn es auch die Spuren eines harten Lebens trug. Er fühlte sich, als hätte man ihm einen Hieb vor die Brust versetzt.
»Himmel«, sagte er. »Ihr seid John Greys Bruder.« Er angelte wild nach dem Namen und fand ihn auch. »Lord … Melton. Grundgütiger.«
»Nun ja«, sagte der Mann. »Obwohl ich diesen Titel nicht mehr verwende. Ich bin inzwischen der Herzog von Pardloe.« Er lächelte ironisch. »Es ist lange her. Bitte setzt Euch doch, Mr Fraser.«
8
Ehrenschulden
Er war so erschüttert, dass er sprachlos weiter stehen blieb und den Mann anstarrte wie ein Trottel. Melton – oder besser Pardloe – betrachtete ihn konzentriert von oben herab, die Stirn leicht gerunzelt.
Als er sich schließlich erholt hatte, setzte sich Jamie abrupt hin. Der vergoldete Stuhl fühlte sich zerbrechlich und seltsam unter ihm an. Pardloe setzte sich ebenfalls, und ohne den Blick von Jamies Gesicht abzuwenden, rief er: »Pilcock! Hierher!«
Dies brachte einen Dienstboten zum Vorschein – Jamie sah sich nicht nach dem Mann um, doch er hörte die unterwürfigen Schritte, das gemurmelte »Eure Durchlaucht?« in seinem Rücken.
»Holt uns Whisky, Pilcock«, sagte Pardloe, den Blick immer noch auf Jamie gerichtet. »Und Gebäck – nein, kein Gebäck, sondern etwas Gehaltvolleres.«
Pilcock stieß ein fragendes Geräusch aus, woraufhin der Herzog seinen Blick auf ihn richtete und eine gereizte Miene zog.
»Woher soll ich das wissen? Pastete. Was vom Braten übrig ist. Gegrillten Fasan, zum Kuckuck. Geht die Köchin fragen; geht Eure Herrin fragen!«
»Ja, Eure Durchlaucht!«
Pardloe schüttelte den Kopf, dann richtete er den Blick wieder auf Jamie.
»Habt Ihr Euch jetzt gefangen?«, erkundigte er sich in völlig normalem Ton, als nähme er ein unterbrochenes Gespräch wieder auf. »Ich meine – Ihr erinnert Euch doch an mich?«
»Ja.«
In der Tat, und die Erinnerung erschütterte ihn fast so sehr wie die Tatsache, dass er Pardloe hier angetroffen hatte statt des Herzogs von Cumberland. Er klammerte sich an die Sitzfläche des Stuhls, um sich gegen die Erinnerung zu wappnen.
Zwei Tage nach der Schlacht, und der dichte Qualm der brennenden Leichen hing über dem Moor, ein rußiger Nebel, der auch in die Kate drang, in die sich die verletzten jakobitischen Offiziere geflüchtet hatten. Sie hatten das Feld der Gemetzelten gemeinsam überquert, blutend, frierend, stolpernd … hatten sich gegenseitig geholfen, sich gegenseitig in die vorübergehende – und völlig illusionäre – Sicherheit geschleppt.
Eigentlich hatte er das Ganze wie eine Illusion empfunden. War auf dem Feld erwacht, überzeugt, dass er tot war, erleichtert, dass es vorbei war, die Schmerzen, das Leid, der fruchtlose Kampf. Dann war er vollends erwacht und hatte begriffen, dass Jack Randall tot auf ihm lag und das Gewicht des Hauptmanns die Blutzufuhr zu seinem verwundeten Bein abgeschnitten und ihn vor dem Verbluten gerettet hatte – eine letzte unglückliche Wendung, eine letzte Entwürdigung.
Seine Freunde hatten ihn gefunden, ihn gezwungen aufzustehen, ihn zu der Kate gebracht. Er hatte sich nicht gewehrt; er hatte gesehen, was noch von seinem Bein übrig war, und gewusst, dass es nicht lange dauern würde.
Länger als er dachte; es waren zwei Tage voller fiebriger Schmerzen gewesen. Dann war Melton gekommen, und man hatte seine Freunde einen nach dem anderen ins Freie geführt und erschossen. Ihn hatte man heimgeschickt, nach Lallybroch.
Der Blick, den er auf Lord Harold Melton – inzwischen Herzog von Pardloe – richtete, war nicht besonders freundlich.
»Ich erinnere mich an Euch.«
PARDLOE ERHOB SICH VON seinem Schreibtisch und wies mit
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