Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)
einem Schulterzucken auf zwei Armsessel am Kamin und lud ihn ein, sich zu setzen. Jamie ließ sich vorsichtig auf dem rosa gestreiften Satinstoff nieder, doch das Möbelstück war stabil gebaut und trug sein Gewicht, ohne zu ächzen.
Der Herzog wandte sich der offenen Tür der Bibliothek zu und brüllte: »Pilcock! Wo zum Teufel bleibt Ihr?«
Doch es war weder ein Dienstbote noch der Butler, der erschien. Die Frau, deren Gesicht er unten kurz im Korridor gesehen hatte, trat mit flüsternden Röcken ein. Jetzt konnte er ihr Gesicht sehr viel besser sehen, und er dachte, ihm würde das Herz stehen bleiben.
»Pilcock ist beschäftigt«, sagte sie zum Herzog. »Was willst du?« Sie war sichtlich älter geworden, aber immer noch hübsch mit ihren sanft geröteten Wangen.
»Beschäftigt? Womit denn?«
»Ich habe ihn auf den Dachboden geschickt«, erwiderte die Frau gefasst. »Wenn du den armen John nach Irland schickst, braucht er doch wenigstens eine Reisetasche.« Sie warf Jamie einen kurzen Blick zu, bevor sie sich wieder dem Herzog zuwandte, und Jamie sah, wie sich ihre gepflegte Augenbraue fragend hob.
Himmel. Die beiden sind also verheiratet , dachte er, als er begriff, was sie mit dieser Geste kommunizierte, und sah, wie der Herzog bestätigend das Gesicht verzog. Sie ist seine Frau . Die grün bedruckte Tapete hinter dem Herzog begann zu flackern, und seine Wangen wurden kalt. Mit geistesabwesendem Entsetzen stellte er fest, dass er im Begriff war, in Ohnmacht zu fallen.
Der Herzog stieß einen Ausruf aus, und die Frau fuhr zu ihm herum. Schwarze Flecken tanzten vor seinen Augen und wurden größer, doch nicht so groß, dass er ihre Miene nicht gesehen hätte. Beunruhigung – und eine Warnung.
»Geht es Euch nicht gut, Mr Fraser?« Die kühle Stimme des Herzogs durchdrang das Summen in seinen Ohren, und er spürte eine Hand in seinem Genick, die ihm den Kopf niederdrückte. »Legt den Kopf zwischen die Knie. Minnie, Liebes …«
»Ich hab’s schon. Hier.« Die Stimme der Frau klang atemlos, und er hörte Glas klirren und roch scharfen Brandygeruch.
»Nicht doch, noch nicht. Mein Schnupftabak – auf dem Kaminsims.« Er fühlte, dass ihn der Herzog an den Schultern festhielt, damit er nicht umfiel. Das Blut floss langsam in seinen Kopf zurück, doch ihm war immer noch schwarz vor Augen, und sein Gesicht und seine Finger waren kalt.
Er hörte das Geräusch leichter, rascher Schritte – das Gehör versagte immer zuletzt, dachte er dumpf. Es klapperte auf dem Parkett, wurde von einem Teppich gedämpft, eine Pause, dann eilten die Schritte zurück. Die Stimme des Herzogs murmelte drängend, es klickte, ein kurzes, leises Plop !, und Ammoniak schoss ihm brennend in die Nase.
Er keuchte auf und versuchte krampfhaft, sich abzuwenden, doch eine Hand hielt seinen Kopf fest und zwang ihn zum Einatmen, dann schließlich ließ sie ihn los und gestattete ihm, sich hustend und spuckend aufzusetzen. Seine Augen tränten so heftig, dass er die Gestalt der Frau kaum ausmachen konnte, die über ihn gebeugt stand, das Riechsalzgläschen in der Hand.
»Armer Kerl«, sagte sie. »Ihr müsst ja halb tot von der Reise sein und hungrig dazu – die Zeit für den Tee ist schon vorbei, und ich wette, Ihr habt seit Stunden nichts mehr gegessen. Also wirklich, Hal …«
»Ich habe ja Essen bestellt. Ich war gerade im Begriff, die Bitte zu wiederholen, als er bleich geworden ist und umkippte«, protestierte der Herzog entrüstet.
»Nun, dann sag der Köchin Bescheid«, befahl seine Frau. »Ich gebe Mr …« Erwartungsvoll wandte sie sich Jamie zu.
»Fraser«, brachte Jamie heraus und wischte sich mit dem Ärmel über das tränende Gesicht. »James Fraser.« Der Name fühlte sich seltsam auf seinen Lippen an; er hatte ihn seit Jahren nicht mehr ausgesprochen.
»Ja. Natürlich. Ich gebe Mr Fraser etwas Brandy. Sag der Köchin, wir wollen Sandwiches und Kuchen und eine Kanne starken, heißen Tee, und zwar schnell.«
Der Herzog sagte etwas Vulgäres auf Französisch, doch er schritt davon. Die Frau hatte ein Glas Brandy in der Hand, das sie ihm an die Lippen hielt. Doch er nahm es ihr ab und sah sie über den Rand hinweg an.
Die leise Röte war ihr aus den Wangen gewichen. Sie war blass und hatte ihre sanften Lippen grimmig aufeinandergepresst.
»Um des Zieles willen, das einmal das unsere war«, sagte sie sehr leise, »bitte ich Euch, nichts zu sagen. Noch nicht.«
ER WAR ZUTIEFST VERLEGEN – und noch tiefer bestürzt. Es
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