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Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)

Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)

Titel: Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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eine Frucht aus ihrem Kasten gefallen; sie rollte ihm vor die Füße, ein Farbklecks auf dem Bordstein, und er hob sie auf und drehte sich, um ihr nachzurufen, doch die Mädchen waren fort.
    Die kalte runde Orange schmeichelte seiner Hand, und der nachlassende Hagel hatte sein Blut zumindest ein wenig abgekühlt. Er warf die Frucht in die Luft und fing sie wieder auf.
    Das letzte Mal hatte er versucht, aus Wut auf Hal einzuschlagen, als er fünfzehn war. Es hatte nicht gut geendet. Jetzt jedoch würde er wahrscheinlich mehr Erfolg haben. Hal war immer noch schnell, war ein exzellenter Schwertkämpfer, doch er war jetzt fast vierzig, und die jahrelangen Feldzüge hatten ihre Spuren hinterlassen. Dennoch, welchen Zweck würde es haben, auf seinen Bruder einzuhämmern oder ihn auch nur auf kurze Distanz mit einer Orange zu bewerfen? Die Situation würde stets dieselbe bleiben. Er steckte die Orange ein und patschte übellaunig die überflutete Straße entlang, während er nach dahintreibenden Kohlblättern trat.
    »Lord John!« Der schrille Ausruf ließ ihn genau in dem Moment aufblicken, in dem er von einer großen Schmutzwasserwoge überspült wurde, die sich von den Rädern einer Kutsche erhob. Hustend und spuckend wischte er sich Schlamm und Abfallreste aus dem Gesicht und erblickte eine junge Frau im Fenster der Kutsche, die ihrerseits das Gesicht vor Lachen verzog.
    »Oh, Eure Lordschaft – wie nass Ihr doch seid!«, brachte sie kichernd heraus und schützte die roten Samtblumen auf ihrem modischen Hut mit einem ausgebreiteten Fächer vor dem heftigen Regen.
    »Ja. Ich bin nass«, sagte er und warf Nessie einen vielsagenden Blick zu. Agnes war ihr Name; eine junge schottische Hure, die er vor drei Jahren kennengelernt hatte. Offensichtlich hatte sie es seitdem zu einigem gebracht. »Ist das Eure Kutsche?«
    »Och, nein«, sagte sie bedauernd. »Wenn es so wäre, würde ich Euch anbieten, Euch mitzunehmen. Ich bin auf dem Weg zu einem neuen Freier; er hat sie geschickt, um mich holen zu lassen.«
    »Nun, ich möchte ja Eurem Kunden nicht die Polster ruinieren«, sagte er mit ausgewählter Höflichkeit.
    »Ihr holt Euch noch den Tod, wenn Ihr da stehen bleibt«, ermahnte sie ihn, ohne seine Worte zu beachten. »Aber es ist nicht weit bis zu meinem neuen Haus. Am Ende der Brydges Street. Wenn Ihr dort hingeht, gibt Euch Mrs Donoghue einen Schluck gegen die Kälte. Und vielleicht ein Handtuch«, fügte sie hinzu und betrachtete ihn kritisch.
    »Ich danke Euch für den Rat, Madam.«
    Sie lächelte ihn strahlend an und wedelte mit ihrem Fächer.
    »Kostet nichts. Jetzt fahr schon weiter, du alter Saufbold, bevor ich ertrinke!«, rief sie dem Kutscher zu, zog den Kopf ein und klappte abrupt das Fenster zu.
    Er sprang mit einem Satz zurück, doch nicht schnell genug, um der erneuten Ladung kalten Wassers und nasser Pferdeäpfel zu entgehen, als sich die Kutsche ruckartig in Bewegung setzte.
    Triefend und schwer atmend stand er still, doch dann begriff er, dass Nessies Vorschlag durchaus sein Gutes hatte. Er sollte sich tatsächlich einen Unterschlupf suchen, wenn er nicht an einer Rippenfellentzündung sterben oder sich die Grippe holen wollte. Und das Einzige, was schlimmer sein würde, als in Jamie Frasers Begleitung nach Irland zu reisen, war, es mit einer heftigen Erkältung zu tun.
    Nicht in einem Bordell, wo der Schnaps und das Handtuch wahrscheinlich Wucherpreise kosten würden und man ihm außerdem weibliche Gesellschaft aufdrängen würde, die er nicht wollte. Doch seine Begegnung mit Nessie hatte ihn aus seiner schlechten Laune gerissen und ihm seine Umgebung zu Bewusstsein gebracht; er befand sich nicht mehr als ein paar Straßen vom Beefsteak entfernt, seinem Lieblingsclub. Dort konnte er sich ein Zimmer nehmen – trockene Kleider bekommen, vielleicht ein Bad. Und mit Sicherheit etwas zu trinken.
    Er machte kehrt und schritt entschlossen die Coptic Street entlang, während ihm das Wasser über den Rücken rann.
    FRISCH GEBADET , IN TROCKENEN , wenn auch etwas zu großen Kleidern und nach dem Konsum zweier großer Gläser Brandy, sah er die Dinge eine Stunde später schon deutlich philosophischer.
    Das Wichtigste war, Siverly zu finden und ihn zurückzuholen.Es ging um seine Ehre, wegen des Versprechens, das er Charlie Carruthers gegeben hatte, aber auch wegen seiner Pflicht als Offizier der Armee Seiner Majestät. Es war nicht das erste Mal, dass die Erfüllung dieser Pflicht ihm Unangenehmes abverlangte.

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