Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)
jedoch die Stelle erreichte, an der geschildert wurde, wie die Eingeborenendörfer geplündert und terrorisiert wurden, spürte er, wie ihm das Blut in den Kopf stieg. Siverly mochte ja ein Schurke sein, wie er im Buche stand, doch dies war nicht die Schurkerei eines Einzelnen.
Es war die Art der Krone. Die Art, wie man mit widersetzlichen Eingeborenen umging. Diebstahl, Vergewaltigung, Mord … und Feuer.
So hatte es Cumberland gemacht, als er die Highlands nach Culloden »gesäubert« hatte. Und James Wolfe hatte es ebenso gemacht – um die Zitadelle Quebec von der Unterstützung aus dem Hinterland abzuschneiden. Vieh geraubt, die Männer getötet, Häuser niedergebrannt … und die Frauen verhungern und erfrieren lassen.
Herr, lass sie gerettet sein! , dachte er in plötzlicher Pein und schloss eine Sekunde die Augen. Und das Kind mit ihr .
Er blickte von der Seite auf. Der Herzog hustete immer noch, doch er hatte jetzt eine Pfeife aus dem Durcheinander gezogen und stopfte sie mit Tabak. Lord Melton hatte in Culloden Soldaten befehligt. Diese Soldaten – und der Mann, der vor ihm saß – waren danach mit großer Wahrscheinlichkeit geblieben, um sich an der Säuberung der Highlands zu beteiligen.
» Kein schleichendes Gefühl, dass Euch Unrecht getan wurde «, hatte er gesagt. Jamie murmelte etwas ausgesprochen Rüdes auf Gàidhlig und setzte seine Lektüre fort, obwohl er feststellen musste, dass er immer noch abgelenkt war.
Blutdruck . So hatte Claire es genannt. Es hatte damit zu tun, wie fest das Herz eines Menschen schlug und mit welcher Gewalt es das Blut durch den Körper trieb. Wenn einem das Herz den Dienst versagte und das Blut nicht mehr bis zum Gehirn drang, fiel man in Ohnmacht, sagte sie. Und wenn es heftig schlug, im Griff der Angst oder der Leidenschaft, dann spürte man, wie einem das Blut in den Schläfen pochte und die Brust anschwoll, bereit für das Bett oder für die Schlacht.
Sein persönlicher Blutdruck ging gerade in die Höhe wie eine Rakete, und er hatte gewiss kein Verlangen, mit Pardloe ins Bett zu gehen.
Der Herzog nahm einen Holzspan aus einer Keramikschale und hielt ihn an die Kerzenflamme, dann zündete er die Pfeife damit an. Draußen war es dunkel geworden, und der Geruch nahenden Regens drang durch das halb geöffnete Fenster herein und vermischte sich mit dem süßlich würzigen Geruch des Tabaks. Pardloes hagere Wangen wurden hohl, als er an der Pfeife sog, seine Augenhöhlen lagen im Schatten des Lichts, das auf Stirn und Nase fiel. Er sah aus wie ein Totenschädel.
Abrupt legte Jamie die Papiere hin.
»Was wollt Ihr von mir?«, fragte er.
Pardloe nahm die Pfeife aus dem Mund und atmete träge Rauchschwaden aus.
»Ich will, dass Ihr diesen irischen Text übersetzt. Und mir mehr erzählt – alles, was Ihr noch von Gerald Siverlys Werdegang und seine Verbindungen wisst. Darüber hinaus …« Die Pfeife lief Gefahr zu erlöschen, und der Herzog nahm einen kräftigen Zug.
»Und Ihr glaubt, das tue ich, wenn Ihr einfach danach fragt?«
Pardloe sah ihn gelassen an, während ihm der Rauch von den Lippen aufstieg.
»Ja, das glaube ich. Warum nicht?« Er hob den Mittelfinger einer Hand. »Ich würde es als Schuld betrachten, die ich zu bezahlen habe.«
»Steckt diesen verflixten Finger weg, bevor ich ihn Euch in den Hintern ramme.«
Der Mund des Herzogs zuckte, doch er ließ den Finger kommentarlos wieder sinken.
»Außerdem hatte ich den Wunsch, Euch zu sehen, um entscheiden zu können, ob Ihr uns dabei helfen könnt, Major Siverly seiner gerechten Strafe zuzuführen. Ich glaube, das könnt Ihr. Und was ich vor allem will, ist Gerechtigkeit.«
Gerechtigkeit.
Jamie holte tief Luft und hielt kurz den Atem an, um nichts Voreiliges zu sagen.
»Inwiefern helfen?«
Nachdenklich stieß der Herzog ein bläuliches Rauchwölkchen aus, und Jamie begriff plötzlich, woher der süße, durchdringende Geruch kam. Es war gar kein Tabak; der Herzog rauchte Hanf. Er kannte den Geruch; ein Arzt in Paris hatte es einem Bekannten verschrieben, der an Lungenbeschwerden litt. War der Herzog krank? Er sah nicht so aus.
Er hörte sich auch nicht so an.
»Siverly hat sich von seinem Regiment beurlauben lassen und ist verschwunden. Wir glauben, dass er sich auf sein Anwesen in Irland begeben hat. Ich will, dass er aufgespürt und zurückgeholt wird.« Pardloes Stimme war gelassen, genau wie sein Blick. »Mein Bruder wird zu diesem Zweck nach Irland reisen, doch er wird Hilfe
Weitere Kostenlose Bücher