Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)
der nächste dann ein neues Wort wählte.
Sie waren von einfachen Dingen wie »Sohn/Lohn/Mohn/Patron/Baron« bis zu der komplexeren Frage gekommen, ob man »Champagner« auf »oranger« reimen durfte, wobei Letzteres wohl nur bedingt als existierendes Wort zu betrachten war. Das Schlimmste daran war, dass ihn die Unterhaltung – gepaart mit dem Anblick von Namtzens, der ihm gegenübersaß, das breite Gesicht durch die Wortspiele ein wenig erheitert, das helle Haar sanft um die Ränder seiner Ohren geringelt – dazu verleitete, insgeheim tatsächlich selbst mit dem Reimen anzufangen. Zunächst nur simple Wörter, doch dann hatte ein kleiner Paarreim – er hoffte, dass das die richtige Bezeichnung war – in seinem Kopf zu summen begonnen.
Es verblüffte ihn. War das die Art, wie Harry es machte? Ließ er die Worte einfach auftauchen und selbst etwas beginnen?
Die Worte, die in seinem eigenen Kopf aufgeblitzt waren, hatten sich zu einem irritierenden kleinen Küchenreim zusammengefügt: Kannst nicht sein der Meister mein/doch soll ich dein Meister sein ?
Das brachte ihn aus der Fassung, denn sein Verhältnis – oder seine Gefühle – gegenüber von Namtzen hatten nichts an sich, worauf sich das anwenden ließ, und er begriff sehr wohl, dass es mit Jamie Frasers Anwesenheit in Argus House zusammenhing.
Wirst du wohl verschwinden, zum Kuckuck ?, dachte er aufgebracht. Ich bin noch nicht so weit .
Das Zimmer kam ihm furchtbar warm vor, und an seinem Haaransatz sammelte sich der Schweiß. Glücklicherweise lenkten die Ankunft der Vorspeisen und das Durcheinander, unter dem sie serviert wurden, die Tischgesellschaft vom Reimen ab, und er verlor sich dankbar in der Glorie des Blätterteigs und den köstlichen Säften von Wild, Ente und Trüffeln.
» WAS FÜHRT EUCH NACH LONDON , SIR ?«, fragte Harry von Namtzen beim Salat. Es war eindeutig nur dazu gedacht, das verdauungsfördernde Schweigen nach der Vorspeise zu brechen, doch ein Schatten legte sich auf das Gesicht des Hannoveraners, und er senkte den Blick auf den Teller mit grünen Blättern und Essig.
»Ich assistiere dem Hauptmann bei einigen Geschäften«, warf Frobisher hastig ein und warf von Namtzen einen Blick zu. »Papiere, die unterzeichnet werden müssen, Ihr wisst schon …« Eine Geste seiner Hand deutete umfangreiche juristische Erfordernisse an.
Grey richtete den Blick neugierig auf von Namtzen – der nicht nur sein eigenes Regiment befehligte, sondern auch Graf von Erdberg war. Er wusste genau, dass der Graf jemanden in England hatte, der seine Geschäftsinteressen vertrat; so hielten es alle reichen Ausländer, und er war von Namtzens Vermögensverwalter sogar schon selbst begegnet.
Ob von Namtzen seine Neugier bemerkt hatte oder einfach nur das Gefühl hatte, dass weitere Erklärungen vonnöten waren … Er hob den Kopf und atmete heftig aus.
»Meine Frau ist gestorben«, sagte er und schluckte. »Letzten Monat. Ich – meine Schwester ist in London.« Wieder schluckte er. »Ich habe die … meine Kinder … zu ihr gebracht.«
»Oh, mein werter Sir«, sagte Harry. Er legte von Namtzen die Hand auf den Arm, und seine Stimme war von tiefem Mitgefühl erfüllt. »Das tut mir so leid.«
»Danke«, murmelte von Namtzen, dann erhob er sich plötzlich und stürzte mit einem Geräusch aus dem Zimmer, das genauso gut ein Wort der Entschuldigung wie ein unterdrücktes Schluchzen hätte sein können.
»Oje«, sagte Frobisher bestürzt. »Der Arme. Ich wusste gar nicht, dass es ihn so mitnimmt.«
Grey auch nicht.
Nach einer peinlichen Pause aßen sie ihren Salat weiter, und Grey wies den Steward an, von Namtzens Teller zu entfernen. Frobisher wusste nichts Näheres über den traurigen Verlust, den der Hauptmann erlitten hatte, und das Gespräch wandte sich Allgemeinplätzen über die Politik zu.
So konnte Grey, der nicht das geringste Interesse an diesem Thema hatte, über Stephan von Namtzen nachdenken und unterdessen automatisch Geräusche des Interesses oder der Zustimmung beisteuern, je nachdem, was der Rhythmus des Gesprächs verlangte.
Er dachte kurz an Louisa von Lowenstein, die außerordentlich lebhafte – nicht, dass ihm keine besseren Worte eingefallen wären, aber die Frau war nun einmal tot – Sachsenprinzessin, die von Namtzen vor drei Jahren geheiratet hatte. Gott schenke ihrer Seele Frieden , dachte er und meinte es ernst – doch seine eigentliche Sorge galt Stephan.
Hätte man ihn gefragt, so hätte er geschworen, dass
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