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Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)

Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)

Titel: Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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und ab zu steigen, Hausdiener, Stiefelputzer, Butler … Erst vor einer Minute hätte er um ein Haar Lord Johns jungen Leibdiener im Flur über den Haufen gerannt – Byrd war so tief unter einem Berg schmutziger Wäsche vergraben gewesen, dass er kaum darüber hinwegschauen konnte und Jamie zwischen die Füße geriet, als dieser um eine Ecke bog.
    Nicht einmal in seinem Zimmer konnte Jamie in Ruhe sitzen. Wenn nicht gerade jemand hereinkam, um die Bettwäsche zu lüften, kam jemand anders, um sich um das Kaminfeuer zu kümmern oder den Teppich zum Ausklopfen mitzunehmen oder ihm frische Kerzen zu bringen oder zu fragen, ob seine Socken gestopft werden mussten. Sie mussten, aber dennoch …
    Was er brauchte, dachte er plötzlich, war ein Friedstuhl. Als hätte ihn dieser Gedanke befreit, stand er auf und schritt entschlossen davon, um sich einen solchen zu suchen. Dabei entging er nur knapp dem Zusammenstoß mit zwei Bediensteten, die eine enorme Bank über die Haupttreppe trugen, weil sie zu breit für die Hintertreppe war.
    Nicht der Park. Abgesehen von der Möglichkeit dort lauernder Quinns wimmelte es unter den Bäumen von Menschen. Zwar würde ihn niemand behelligen, doch das Wesentliche an einem Friedstuhl war Einsamkeit. Er wandte sich dem Flur zu, der zur Rückseite des Hauses und zum Garten führte.
    Es war eine ältere anglikanische Nonne, die ihm erst letztes Jahr erzählt hatte, was ein Friedstuhl war. Schwester Eudoxia war eine entfernte Verwandte von Lady Dunsany, die nach Helwater gekommen war, um sich von etwas zu erholen, was die Köchin als hydropische Dispersion bezeichnete.
    Als er Schwester Eudoxia in ihrem Korbsessel auf dem Rasen gesehen hatte, hatte er sich gefragt, was Claire wohl über die Krankheit der Dame gesagt hätte. Sie hätte sie bestimmt nicht als hydropische Dispersion bezeichnet, dachte er und lächelte unwillkürlich bei diesem Gedanken, weil er sich gut an die deutlichen Worte seiner Frau in Bezug auf Beschwerden wie Iliakalwallungen, Darmverengungen oder das erinnerte, was ein Arzt als »die universelle Relaxation des Stofflichen« bezeichnet hatte.
    Doch die Schwester hatte die Wassersucht. Das hatte er erfahren, als er sie eines Abends unerwartet am Koppelzaun angetroffen hatte, auf den sie sich keuchend und mit blauen Lippen stützte.
    »Soll ich Euch jemanden holen, Schwester?«, sagte er, alarmiert über ihr Aussehen. »Ein Dienstmädchen – soll ich Lady Dunsany holen lassen?«
    Sie antwortete nicht sofort, weil sie nach Atem rang, wandte sich ihm zu, und ihre Hände rutschten vom Zaun ab. Er fing sie auf, als sie zu fallen begann, und weil es nicht anders ging, nahm er sie auf die Arme. Er entschuldigte sich ausführlich und erschrocken – was, wenn sie im Begriff war zu sterben? – und sah sich panisch nach Hilfe um, doch dann wurde ihm klar, dass sie nicht im Begriff war, ihr Leben auszuhauchen. Sie lachte. Sie bekam zwar kaum Luft, doch sie lachte, und ihre knochigen Schultern bebten unter ihrem dunklen Überwurf.
    »Nein … junger … Mann«, brachte sie schließlich heraus und hustete ein wenig. »Es geht … gleich wieder. Bringt mich …« Ihr ging die Luft aus, doch sie zeigte mit zitternden Fingern auf den kleinen Pavillon, der hinter dem Stall zwischen den Bäumen ruhte.
    Er war zwar bestürzt, doch er tat, was sie verlangte. Sie lag ganz entspannt in seinen Armen, und sein Blick fiel gerührt auf den ordentlichen Scheitel in ihrem grauen Haar, der knapp unter dem Rand ihres Schleiers hervorlugte. Sie war zwar zerbrechlich, aber schwerer, als er gedacht hatte, und als er sie schließlich vorsichtig auf der kleinen Bank im Inneren des Pavillons absetzte, sah er, dass ihre Unterschenkel und ihre Füße stark angeschwollen waren und über die Riemchen ihrer Sandalen quollen. Sie lächelte zu ihm auf.
    »Wisst Ihr, ich glaube, das ist das erste Mal, dass ich einem jungen Mann in den Armen gelegen habe. Ein schönes Erlebnis; vielleicht wäre ich ja keine Nonne geworden, wenn es mir eher widerfahren wäre.«
    Dunkle Augen glitzerten aus einem Netz aus Falten zu ihm auf, und er musste einfach zurücklächeln.
    »Ich würde mich nicht gern als Bedrohung für Euer Keuschheitsgelübde sehen, Schwester.«
    Sie lachte lauthals auf, keuchte kurz, hustete dann und hieb sich mit der Hand vor die Brust.
    »Für Euren Tod möchte ich aber ebenso wenig verantwortlich sein, Schwester«, sagte er und betrachtete sie besorgt. Ihre Lippen waren bläulich verfärbt. »Sollte ich

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