Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)
und in Finsternis bekämpft hatte, ihm an eine Steinmauer gelehnt etwas Schreckliches angetan hatte … Auch das war Opium gewesen.
Die ganze Kajüte wurde brutal nach oben geschleudert, und die Leute prallten gegen die Schottwände wie Vögel, die an Fensterscheiben zerschmettern. Jamie rollte von der Bank, auf der er gelegen hatte, prallte auf mehrere Menschenkörper und verhedderte sich in einem davon, weil sie beide zwischen dem Schott und einer großen, umherrutschenden Kiste voller Hühner klemmten, die niemand festgezurrt hatte.
»Herunter von mir, verdammt!«, erklang irgendwo unter ihm eine erstickte englische Stimme, und als er begriff, dass es John Grey war, auf dem er lag, schoss er hoch wie eine Rakete und stieß sich den Kopf am Deckenbalken. Er hielt sich den – eindeutig zertrümmerten – Schädel, sank auf die Knie und fiel halb über die Kiste, zur großen Bestürzung der Hühner. Gekreische und Gegacker, Daunenfedern und Hühnerscheiße explodierten zwischen den Holzlatten hindurch, und der scharfe Ammoniakgestank stach ihm geradewegs durch die Nase in die Überreste seines Hirns.
Er ließ sich langsam zu Boden sinken, und es war ihm gleichgültig, worin er lag.
Weiteres Gegacker, diesmal aus menschlichen Kehlen. Hände. Sie zogen ihn halb zum Sitzen hoch, obwohl er in sich zusammensackte wie ein Wäschesack und nicht imstande war zu helfen.
»Himmel, ist der Kerl schwer!«, sagte eine raue Stimme in sein Ohr.
»Mund auf«, sagte eine andere Stimme atemlos, aber entschlossen.
Grey , dachte er dumpf.
Finger drückten ihm die wunde Nase zu, und er jaulte auf, um dann zu husten, als sich eine ekelhafte Flüssigkeit in seinen Mund ergoss. Irgendjemand legte ihm die Hand unter das Kinn und hielt ihm den Mund zu.
»Schlucken, in Gottes Namen!«
Der Whiskey brannte ihm durch Kehle und Brust und befreite seinen Verstand für einen kurzen Moment von der allgegenwärtigen Übelkeit. Er öffnete die Augen und erblickte Quinn, der ihn mit großer Besorgnis ansah.
Ich darf nicht von ihm sprechen. Darf es nicht riskieren, nicht bei Verstand zu sein. Darf nicht reden .
Er bewegte seine Zunge, schnappte nach Luft, rang um Kraft. Dann entriss er Lord John die Flasche und trank sie leer.
JAMIE ERWACHTE IN EINEM außerordentlich angenehmen Geisteszustand; er wusste nicht mehr, wer er war, geschweige denn, wo, doch das schien keine Rolle zu spielen. Er lag in einem Bett, und es bewegte sich nicht. Das Licht im Zimmer flackerte wie Sonnenschein auf Wellen, doch tatsächlich war es das Schattenspiel eines großen Baumes, den er vor dem Fenster sehen konnte, wo sein Laub träge im Wind flatterte. Er meinte , dass es auf dem Meer keine Bäume gab, konnte es aber nicht beschwören, denn auch jetzt noch schwebten ihm hin und wieder merkwürdige Bilder über die Rückseiten seiner Augen.
Er schloss die Augen, um eines davon besser betrachten zu können – es schien eine Meerjungfrau zu sein, die drei Brüste hatte und mit einer davon einladend auf ihn zeigte.
»Möchtet Ihr einen Becher Kaffee, Sir«, sagte sie. Schwarzer Kaffee begann aus ihrer Brust zu laufen, und mit der anderen Hand hielt sie ein Gefäß darunter, um ihn aufzufangen.
»Spenden die anderen vielleicht Whiskey?«, fragte er. In seinem Ohr keuchte es plötzlich auf, und es gelang ihm, ein Auge einen Spaltbreit zu öffnen. Das andere drückte er fest zu, um die Meerjungfrau im Blick zu behalten, damit sie nicht mit seinem Kaffee davonschwamm.
Er sah sich einem spindeldürren Mädchen mit Häubchen und Schürze gegenüber, das ihn mit offenem Mund anstarrte. Sie hatte eine lange, knochige Nase, die an der Spitze rot war. Auch sie hatte einen Becher Kaffee in der Hand, das war seltsam. Nur Brüste hatte sie keine.
»Dann brauche ich wohl auch nicht auf Sahne zu hoffen«, murmelte er und schloss das Auge.
»Überlasst ihn besser uns, Miss«, sagte eine englische Stimme, die ziemlich wichtigtuerisch klang.
»Ja«, sagte eine andere Stimme, ebenfalls englisch, aber gereizt. »Aber lasst in Gottes Namen den Kaffee hier.«
Die Meerjungfrau war von einem sanften grünen Licht umgeben, und ein kleiner gestreifter Fisch kam aus ihrem Haar geschwommen und kroch ihr zwischen die Brüste. Glücksfisch.
»Was meint Ihr, Mylord?«, sagte die erste Stimme, skeptisch jetzt. »Gießen wir ihm kaltes Wasser in den Nacken?«
»Eine vorzügliche Idee«, sagte die zweite Stimme schon freundlicher. »Macht Ihr das nur.«
»Oh, ich möchte mir nicht zu
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