Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)
Mücke in den Hals bekommen«, erwiderte Fraser knapp.
»Besser das, als sich an einem Kamel zu verschlucken, wie es heißt«, sagte Quinn und lachte über seinen eigenen Witz, zumal Grey ebenfalls lächeln musste.
Doch nach einer Weile verstummte das Gespräch, und sie kamen gut voran. Grey versank in seinen Gedanken, die sich vor allem um die bevorstehende Konfrontation mit Gerald Siverly drehten. Vorausgesetzt natürlich, dass sich Siverly tatsächlich in Irland aufhielt und sich mit seinem erschwindelten Vermögen nicht nach Schweden oder Indien abgesetzt hatte.
Er kannte Siverly nur flüchtig. Hatte ihn nach der Schlacht von Quebec aufgesucht, um ihm zu danken, weil er ihm das Leben gerettet hatte, indem er einen Tomahawkhieb abwehrte, der Grey sonst den Schädel gespalten hätte. Siverly war sehr freundlich gewesen, und sie hatten das obligatorische Glas Wein miteinander getrunken, doch das war bis jetzt die ganze Summe ihrer Begegnungen.
Natürlich brachte ihn dies in eine etwas peinliche Lage, doch eigentlich empfand Grey keine Skrupel in Bezug auf das, was er im Begriff war zu tun. Falls Siverly durch irgendeinen Zufall unschuldig war – und er konnte sich das beim besten Willen nicht vorstellen –, dann musste er ja die Gelegenheit begrüßen, seinen Namen reinzuwaschen, indem er zurückkehrte und sich den Vorwürfen vor einem Kriegsgericht stellte. Grey hatte seine Pläne – zumindest einige davon – mit Hal besprochen, und sie hatten dies für die beste Herangehensweise gehalten: sich den Anschein zu geben, als sei er überzeugt von Siverlys Unschuld, während er ihm zuredete, unbedingt auf diese infamen Vorwürfe zu reagieren.
Möglich, dass es Siverly unter diesen Umständen peinlich sein würde, sich zu weigern, Grey zu begleiten. Doch für den Fall, dass er doch die Dreistigkeit besaß, sich zu weigern, hatte Grey seinen Bruder darauf hingewiesen, dass es hilfreich sein würde, einen weiteren Plan – oder zwei – zu haben. Gab es irgendetwas, womit er Siverly ernstlich drohen konnte?
Ja, er konnte Siverly darauf hinweisen, dass er Gefahr lief, aus seinem Regiment verstoßen zu werden, wenn er nicht auf die Vorwürfe reagierte – ganz zu schweigen von seinem Club, so er denn einem solchen angehörte, sowie der Gesellschaft im Allgemeinen. Auch Hal stellte durchaus eine formidable Bedrohung dar; Grey konnte – absolut wahrheitsgetreu – andeuten, dass sein Bruder, der Herzog, über die Schwere der Vorwürfe bestürzt war und sie möglicherweise im Oberhaus ansprechen würde, doch da er ja ein vernünftiger Mensch war (hier musste er grinsen), würde er gewiss zu einem Treffen mit Major Siverly bereit sein. Grey konnte vorsichtig andeuten, dass sich in diesem Fall ein Kriegsgericht möglicherweise sogar vermeiden ließ.
Nicht schlecht, dachte er logisch, während er das Gespräch mit Hal noch einmal Revue passieren ließ. Falls weder der persönliche Appell an Siverlys Ehrgefühl noch die Bedrohung seines guten Rufes wirkten, konnte er sich dann an die offiziellen Kanäle wenden; der Justiziar von Athlone Castle war die höchste Autorität im Einzugskreis von Siverlys Anwesen, und Grey hatte ein Empfehlungsschreiben von Hal sowie eine Abschrift von Carruthers’ Dokumentenpäckchen dabei. Vielleicht ließ sich der Justiziar ja davon überzeugen, dass die Vorwürfe ernst genug waren, um Siverly zu verhaften und ihn in Greys Obhut zu übergeben. Und wenn alles andere erfolglos blieb, gab es noch Plan C, der sich auf ein gewisses Maß an körperlicher Einschüchterung stützte und Jamie Frasers Einsatz verlangte.
Doch es schien ihm nicht sinnvoll, weiter zu planen, solange er Siverly nicht tatsächlich gegenüberstand und besser einschätzen konnte, wie er reagieren würde. Also entspannte er sich und erfreute sich an der milden, feuchten Luft und der herrlich grünen Landschaft. Hinter sich hörte er, wie Jamie Mr Quinn fragte, was seiner Meinung nach die interessanteste Predigt war, die er je gedruckt hatte, doch da er sich nicht für Predigten interessierte, beschleunigte er sein Tempo und überließ die beiden sich selbst.
16
Die Turmruine
Die Nacht war mild und feucht, und Frühjahrskühle zitterte in der Luft. Grey lag in seinen Umhang gehüllt in einer flachen Mulde, die von dichtem Gras und kleinen, sternförmigen Blumen in eine rustikale Liege verwandelt wurde, und fragte sich, ob wohl sein Ende nahte.
Sie waren unterwegs von der Nacht überrascht worden, und während sie noch
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