Die Fackeln der Freiheit: Ein Lord-John-Roman (German Edition)
ich Byrd, er soll Jutesäcke besorgen.«
»Wozu denn das?«
»Damit wir sie uns über die Köpfe stülpen können, wenn wir bei Siverly einbrechen.«
Grey war gerade im Begriff, sich seinen Siegelring wieder überzustreifen. Er hielt inne und sah Fraser an.
»Euer Zutrauen in meine diplomatischen Fähigkeiten ist nicht besonders groß, oder?«
»Nein, und das Eures Bruders auch nicht, sonst wäre ich nicht hier.«
Das saß.
»Mein Bruder zieht es vor, sich nach allen Seiten abzusichern«, sagte Grey mit ausgewählter Höflichkeit. »Und in diesem Sinne … werde ich die Jutesäcke gern erwähnen, wenn ich Tom sehe.«
Sir Melchior Williamson entpuppte sich als gedrungener, untersetzter Mann mit den traurigen Augen eines Bluthundes – die jedoch sein herzliches, wenn auch argwöhnisches Naturell Lügen straften. Er begrüßte sie freudig und zeigte ihnen die Räumlichkeiten der Burg – soweit vorhanden.
»Kalt wie ein Grab«, sagte er, als er sie hinterher in das kleine Speisezimmer in seinen Wohnräumen führte. »Und fast genauso eng. Und so nass wie ein Sieb dazu, denn der Shannon fließt keinen Bogenschuss entfernt draußen vorbei.« Er nieste, zog die Nase hoch und wischte sich mit dem Ärmel darüber. »Ich bin erkältet, seit ich vor zwei Jahren hier angekommen bin. Übermorgen geht es Gott sei Dank nach Frankreich – obwohl ich mich freue, dass ich Euch noch angetroffen habe.« So viel zu Plan B , dachte Grey.
Das Abendessen war simpel, aber ordentlich zubereitet, und reichlich Wein trug dazu bei, dass sie sich in Ruhe unterhalten konnten. Im Verlauf des Gesprächs konnte sich Grey nach Major Siverly erkundigen, ohne sein Interesse zu offenkundig erscheinen zu lassen.
»Glastuig heißt sein Anwesen«, sagte Sir Melchior. Er lehnte sich zurück und öffnete die unteren Knöpfe seiner Weste mit der Selbstvergessenheit langer Übung. »Ich bin erst einmal dort gewesen, kurz nach meiner Ankunft. Ein wunderschönes Haus. Damals hat Mrs Siverly aber noch dort gewohnt.«
Grey stieß ein ermunterndes Geräusch aus.
»Sie ist in ihr Elternhaus zurückgekehrt, als der Major nach Kanada gereist ist. Nach allem, was ich höre, ist ihre Ehe aber nie besonders glücklich gewesen, und bei seiner Rückkehr hat sie es abgelehnt wiederzukommen.«
»Der Major lebt sehr zurückgezogen, oder?«, fragte Fraser. Er hatte sich im Verlauf des Gesprächs zurückgehalten, sich aber immer wieder nützlich gemacht, wenn es darum ging, es in die gewünschte Richtung zurückzulenken, weil Sir Melchior, der gern weit ausholte, ein unergiebiges Thema anschnitt.
»Sehr zurückgezogen. Obwohl ich höre, dass er das Haus gerade verschönert hat. Vielleicht hofft er ja, seine Frau mit Tapeten aus Damast zurückzulocken.« Sir Melchior lachte, und die Bluthundfalten in seinem Gesicht verzogen sich nach oben.
Das Gespräch wandte sich Spekulationen zu, welche Arten von Annehmlichkeiten einer Frau wohl am besten gefallen würden. Sir Melchior war nicht verheiratet, hegte diesbezüglich jedoch Hoffnungen; daher seine Reise nach Frankreich – obwohl er fürchtete, dass seine Auserwählte die Burg nicht besonders reizvoll finden würde.
»Sie ist halb Engländerin, halb Französin«, erklärte er. »Hasst irisches Essen und findet die Iren noch barbarischer als die Schotten – nichts für ungut, Mr Fraser.«
»Nichts für ungut, Sir«, murmelte Jamie und schenkte sich nach.
»Und ich bin mir nicht sicher, ob ich auf meine persönlichen Reize bauen sollte, um solche Einwände zu übertönen.« Sir Melchior ließ den Blick über seinen gewölbten Bauch schweifen und schüttelte resigniert den Kopf.
Jetzt wandte sich das Gespräch allgemeineren Themen zu, und Grey und Fraser bohrten zwar hin und wieder vorsichtig nach, doch sie erfuhren nur wenig mehr über Gerald Siverly – abgesehen von der interessanten Tatsache, dass sein Vater Jakobit gewesen war.
»Marcus Siverly gehörte zu den Wildgänsen«, sagte Sir Melchior. »Ihr wisst doch davon, oder?«
Grey wusste zwar davon, doch er schüttelte zuvorkommend den Kopf.
»So haben sie sich genannt, die irischen Brigaden, die Ende des letzten Jahrhunderts für die Stuarts gekämpft haben. Damals hat die Burg eine wichtige Rolle gespielt«, erklärte Sir Melchior und winkte dem Steward, neuen Wein zu holen, »wegen der Furt. Die Brücke – Ihr habt doch die Brücke gesehen? Natürlich habt Ihr das – sie führt in die Provinz Connaught, die im letzten Krieg eine Hochburg der
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