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Die Fäden des Schicksals

Die Fäden des Schicksals

Titel: Die Fäden des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Bostwick
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Helferinnen und schenkte jeder von ihnen eine Tragetasche mit Charm Packs – verschiedenen aufeinander abgestimmten Stoffproben –, einer neuen Schere und einem Gutschein für einen Quiltkurs.
    »Wie lieb von dir, Evelyn!«, rief Gwen Talvert. »Aber das wäre doch nicht nötig gewesen. Es hat uns solchen Spaß gemacht, und außerdem war es doch für einen guten Zweck.«
    »Doch, ihr habt es verdient. Schließlich habt ihr euch fast den Hintern weggeschuftet.«
    Wendy verdrehte den Kopf, um einen Blick auf ihre ausladende Kehrseite zu werfen, die sich deutlich unter der hautengen Stretchhose abzeichnete. »Sieht so aus, als wäre meiner noch da.« Sie prustete vor Lachen, worauf die anderen einstimmten.
    »Habt auf jeden Fall ganz herzlichen Dank. Ihr wart einfach fantastisch. Wendy, soll ich dir die Stühle und Tische noch heute Abend ins Büro bringen?«
    »Nein, das hat bis Montag Zeit. Dann komme ich mit dem Lieferwagen vorbei und hole sie ab.«
    Ich brachte die Helferinnen zur Tür und verabschiedete mich von ihnen. Endlich war ich allein. Noch immer ein starres Lächeln auf den Lippen, schloss ich die Ladentür ab, warf die zusammengeknüllten Papierservietten weg, leerte die Pappbecher mit den Punschresten, die noch auf dem Büfett standen und ging herum, um alle Lampen auszumachen. Als ich zu dem Abstellraum kam, in dem Wendy die zusätzlichen Stühle und Tische untergebracht hatte, hörte ich plötzlich Stimmen.
    Oh nein! Mein Lächeln erstarb. Ich dachte, sie wären alle weg.
    Für einen Augenblick schloss ich die Augen, dann atmete ich tief durch und betrat, nun wieder lächelnd, den kleinen Raum. An einem der Tische saßen drei Frauen: ein junges Mädchen mit gebleichtem Haar, schwarzer Kleidung und wütender Miene, eine große Brünette, die ihr Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte und eine einfache rosa Bluse unter einem cremefarbenen Pullover trug, und eine ältere Frau, deren silberweißes Haar am Hinterkopf zu einer Rolle eingeschlagen war. Sie war mit einem braunen Kaschmirpullover und einem leichten Wollrock bekleidet – beides sehr schlicht und augenscheinlich sehr teuer. Auf dem Boden zu ihren Füßen lag unbeachtet eine offensichtlich neue Handtasche von Dolce & Gabbana. Ich erkannte in der Frau einen Stammgast des Grills. Charlie hatte mir ihren Namen genannt, doch im Augenblick konnte ich mich nicht darauf besinnen. Sie hatte einen langen, eleganten Hals, und Wangen und Kinn waren für eine Frau ihres Alters erstaunlich straff. Es ließ sich schwer sagen, ob sie nun fünfzig oder siebzig war. In ihrer Jugend musste sie eine Schönheit gewesen sein, und das war sie noch heute. Ich fragte mich, was sie in meinem Laden wollte.
    Im Laufe der Jahre habe ich alle Arten von Quilterinnen getroffen. Es ist ein Hobby, das ganz unterschiedliche Menschen anspricht. Doch meiner Erfahrung nach verspüren Frauen, die sich alles kaufen können, was ihr Herz begehrt, selten den Wunsch, selbst etwas zu erschaffen. Und wenn, dann versuchen sie sich eher an der Malerei oder Bildhauerei, Disziplinen, die mehr als Kunst denn als Handwerk gelten. Ich dagegen betrachte das Quilten als beides; doch das ist ein anderes Thema.
    Es war mir daher ein Rätsel, warum sie hier war. Als sie bei meinem Eintreten den Kopf hob und mich prüfend anblickte, erkannte ich, dass sie und das Mädchen miteinander verwandt sein mussten. Sie hatten den gleichen langen Hals, die gleiche markante Kinnlinie, und ihre großen braunen Augen zeigten den gleichen Ausdruck von Verlassenheit. Sie bemühten sich beide, es zu verbergen – die ältere Frau hinter Distanziertheit und tadellosen Manieren, der Teenager hinter Zorn und einem rebellischen Blick. Doch völlig verhehlen konnten sie es nicht.
    »Hallo«, sagte ich mit gezwungener Munterkeit, als ich die auf dem Tisch verstreuten Stoffstücke bemerkte. Sie hatten noch nicht einmal die einzelnen Teile für ihre Blöcke ausgeschnitten, was bedeutete, dass es noch mindestens eine oder zwei Stunden dauern würde, bis sie endlich fertig waren und ich die Tür hinter ihnen schließen und allein sein konnte.
    »Ich bin Evelyn Dixon, die Inhaberin. Entschuldigen Sie, dass ich Sie noch nicht persönlich begrüßt habe, aber heute war schrecklich viel zu tun. Kommen Sie zurecht oder benötigen Sie Hilfe?«
    »Das kann man wohl sagen«, kicherte die Brünette verlegen. »Jedenfalls was mich betrifft. Ich hatte keine Nadel mehr in der Hand, seit ich in der achten Klasse im

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