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Die Fäden des Schicksals

Die Fäden des Schicksals

Titel: Die Fäden des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Bostwick
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neues Zuhause.«

17
    Evelyn Dixon
    Ursprünglich hatte sich Abigail ein komplizierteres Muster ausgesucht, aber ich konnte sie schließlich dazu überreden, einen einfachen Freundschaftsstern als Grundblock für ihren Quilt zu wählen. Dieses Muster, das eher einem Windrädchen als einem Stern ähnelt, würde einem Kind sicher gefallen. Den Stoff suchte Abigail ganz allein aus – neun leuchtende Blautöne von Kobalt bis Türkis und ebenso viele satte Grünschattierungen von Smaragd- bis Lindgrün. Ich war überrascht, dass Abigail sich für derart kräftige Farben entschied, da ihre Garderobe in gedämpften Nuancen von Schwarz, Grau und Erdbraun gehalten war, die nur zur Herbstzeit hin und wieder durch einen roten oder burgunderfarbenen Tupfer belebt wurden. Doch die von ihr gewählten Farben passten wunderbar zusammen. Nachdem sie die ersten Blöcke genäht hatte, zeigte sich, dass der Quilt ganz entzückend werden würde, wie ein Garten voller bunter Windräder inmitten eines weißen Feldes, die sich in einem imaginären Windhauch drehten. Es wirkte alles so fröhlich.
    Nur schade, dass Abigail dabei nicht glücklich und entspannt sein konnte.
    Es war der Tag vor Thanksgiving, und meine Lumpektomie lag bereits vier Tage zurück. Obwohl ich ihr versichert hatte, dass es mir schon viel besser ginge, bestand Margot darauf, dass jemand den Tag über bei mir blieb, »falls ich etwas brauchen sollte«.
    Falls ich wirklich etwas brauchte, musste ich nur die Treppe hinunter rufen, wo entweder sie oder Liza die Kunden bedienten, aber das ließ Margot nicht gelten. Zwar hatte Dr. Finney mir geraten, jede Hilfe anzunehmen, die sich mir bot, doch gerade heute wäre ich gern allein gewesen. Margot meinte es gut, und ich war ihr unendlich dankbar für alles, was sie für mich getan hatte, doch zuweilen kam ich mir vor, als wäre ich wieder ein Kind und hätte eine hübsche brünette Marketingmanagerin in den Dreißigern als Mutter, die sich mit der gleichen Hingabe um mein Wohlergehen kümmerte, mit der sie sich der Arbeit in einem Top-Unternehmen gewidmet hatte. Manchmal ging mir ihr Übereifer auf die Nerven.
    Zu allem Überfluss litt ich auch noch an Schmerzen und Erschöpfung nach der OP und wartete gespannt darauf, dass Dr. Finney mich anrief, um mir die Ergebnisse mitzuteilen. Warum dauerte das bloß so lange? Jedes Mal, wenn das Telefon klingelte, fuhr ich zusammen. Und wenn es dann wieder nicht die Ärztin war, wurde ich noch reizbarer.
    Ich hätte nie gedacht, dass ich das einmal sagen würde, doch ich war froh, dass an jenem Tag Abigail mein Babysitter war. Margot war ja lieb, doch ihr ständiges Getue und die krampfhafte Fröhlichkeit, mit der sie das Gespräch in Gang zu halten versuchte, waren doch ermüdend. Liza wirkte distanziert nach meiner Operation. Still saß sie da und sprach kaum ein Wort mit mir, als hätte sie Angst, etwas Falsches zu sagen. Wenn in seinem Restaurant Ruhetag war, kam Charlie vorbei. Doch er wurde nervös, wenn er nichts zu tun hatte. Also verschwand er nach wenigen Minuten in der Küche, wo er mit den Töpfen klapperte, Zutaten schnippelte und eine umfangreiche Mahlzeit zubereitete, obwohl ich zum Essen viel zu müde war.
    Nur Abigail schien zu bemerken, wie satt ich es hatte, dass die Leute über mich und meinen Krebs redeten oder, was noch schlimmer war, so taten, als redeten sie nicht darüber. Vielleicht war sie aber wirklich voll und ganz mit dem Quilten beschäftigt. Jedenfalls hatte sie ihren Quilt mitgebracht, um daran zu arbeiten. Ich tat das Gleiche und applizierte Stechpalmenzweige auf eine Unterdecke für den Weihnachtsbaum, die ich bis zum Fest fertigstellen wollte. Es war sehr erholsam, einfach nur dazusitzen, schweigend vor sich hin zu nähen und zumindest für ein paar Minuten an etwas anderes zu denken als an den Krebs. Doch bald waren meine Schmerzen und die Müdigkeit so stark, dass ich nicht weitermachen konnte. Ich legte die halb fertige Decke auf den Tisch, lehnte mich auf dem Sofa zurück und schloss die Augen. Abigail blickte von ihrer Arbeit auf.
    »Haben Sie Schmerzen? Möchten Sie eine Schmerztablette?«
    »Nein«, erwiderte ich mit geschlossenen Augen. »Dafür ist es noch zu früh. Ich mache nur mal Pause.«
    Als ich die Augen öffnete, sah ich, dass Abigail sich erneut über ihre Arbeit gebeugt hatte und den Saum eines gerade fertig genähten Blocks wieder auftrennte. Der Stoff war an den Rändern ganz ausgefranst.
    »Warum trennen Sie denn den Saum auf,

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