Die Fäden des Schicksals
irgendeine Art brauchen wir einander, und deshalb müssen Sie uns wirklich nicht danken.«
»Mag sein, aber ich tue es trotzdem. Und das hier«, Evelyn deutete mit einer Handbewegung auf den Tisch, »war nur die Vorspeise. Das Beste kommt erst noch.«
Sie schob ihren Stuhl zurück und stand auf. »Meine Damen, nehmen Sie Ihre Kaffeetassen und kommen Sie mit mir nach unten. Ich möchte Ihnen etwas zeigen.«
16
Evelyn Dixon
Hier!« Ich schaltete das Licht im Arbeitsraum an. »Das ist es.«
Ich hatte vier Stühle mit Rollen um den Zuschneidetisch gestellt und hinter jedem Stuhl eine Nähmaschine platziert, sodass jede schnell vom Tisch zu ihrer Maschine gelangen konnte. In den Zimmerecken standen zwei Bügelbretter, und mitten auf dem Tisch befand sich ein Korb mit Linealen Markern, Plastikschablonen, Nahttrennern und Scheren. An jeden Platz hatte ich darüber hinaus einen neuen Rotary Cutter und eine Schneidematte, eine Schachtel mit Spezialstecknadeln, einen Stoffbeutel und dazu einen Stapel Muster-hefte gelegt, in denen sich die drei Frauen Anregungen holen konnten.
Abigail und Margot blickten ein wenig irritiert, doch Liza, die eingeweiht war, grinste über das ganze Gesicht. »Versteht ihr denn nicht? Wir gründen eine Quiltrunde. Evelyn hilft uns, Quilts zu nähen.«
»Stimmt«, bestätigte ich. »Statt uns freitagabends mit den Abrechnungen zu befassen, können wir uns in geselliger Runde entspannen, während wir an unseren Quilts arbeiten. Ein Abendessen wie heute kann ich Ihnen natürlich nicht jede Woche bieten, aber für einen kleinen Imbiss wird es schon reichen.«
Margot wirkte erfreut, aber auch ein wenig besorgt. »Das ist sehr lieb von Ihnen, Evelyn, aber haben Sie wirklich Zeit dafür? Abgesehen von der bevorstehenden OP haben Sie eine Menge zu tun. Außerdem geben Sie dreimal pro Woche Abendkurse, und da wollen Sie sich noch einen weiteren Kurs aufhalsen? Und was wird dann überhaupt aus unseren Freitagsbesprechungen?«, fügte sie entrüstet hinzu.
»Aber das hier soll kein Kurs werden. Ich werde Ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen, doch daneben arbeite ich an meinem eigenen Quilt. Das macht mir ebenso viel Freude wie Ihnen. Und glauben Sie mir, ein bisschen Freude kann ich im Augenblick gut gebrauchen.« Ich lachte, doch Margot blickte noch immer skeptisch.
»Anfangs mussten die wöchentlichen Treffen sein, Margot. Aber mittlerweile kennen Sie sich mit dem Geschäft so gut aus, dass Sie den Cobbled Court Quilts wahrscheinlich besser führen könnten als ich.« Sie wollte Einspruch erheben, doch ich ließ sie nicht zu Wort kommen. »Wir beide sehen uns ohnehin fast täglich. Wenn es etwas Geschäftliches zu besprechen gibt, können wir das auch im Laden tun und brauchen die arme Abigail nicht damit zu langweilen. Sie sitzt schon in so vielen anderen Vorständen und städtischen Gremien, in denen es nicht nur um mein Schicksal, sondern um das vieler Menschen geht. Ich bin ihr sehr dankbar für ihre Hilfe, aber sie hat genug für mich getan. Sie hat wichtigere Verpflichtungen und kann sich nicht um das Tagesgeschäft in einem Quiltladen kümmern.«
Wie es ihre Gewohnheit war, sagte Abigail nichts dazu, doch ich sah, wie ihre Augen erfreut aufleuchteten. Ich hatte es ernst gemeint. Eines Morgens, als wir zusammen unseren Kaffee tranken, hatte Charlie mir von Abigails vielfältiger Wohltätigkeitsarbeit erzählt. Ihr Beitrag, sei er nun finanzieller oder anderer Art, war von großer Bedeutung für die Gemeinde. Oft ging es dabei wahrscheinlich mehr ums Repräsentieren – indem man die richtigen Organisationen mit einem Scheck bedachte oder sich auf den richtigen Partys zeigte –, doch ich konnte mir nicht vorstellen, dass jemand, der so reich war, wie Charlie es von Abigail behauptete, derart großzügig Geld und Zeit zur Verfügung stellte, wenn ihm nicht wirklich daran gelegen war, anderen Menschen zu helfen. Abigail sollte wissen, dass ich ihre Großzügigkeit im Allgemeinen, und nicht nur mir gegenüber, bewunderte. Sie hatte meine Dankbarkeit und meinen Respekt verdient. Schade, dass ihre Nichte nicht so dachte wie ich.
Ich wusste, dass Liza kaum Bestätigung von ihrer Tante erfuhr, doch das beruhte auf Gegenseitigkeit. Sie glichen einander so sehr, diese beiden Frauen. Schon die äußerliche Ähnlichkeit war frappierend. Beide besaßen sie hohe Wangenknochen, einen durchdringenden Blick, einen guten Teint und einen anmutigen, federnden Gang, der aus der Hüfte kam und an ein Model
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