Die Fährte der Toten
einmal deine Zunge, wenn nicht noch anderes. Meine Geduld mit dir ist nicht unbegrenzt, und du kannst dir nie sicher sein, wie sehr du sie schon strapaziert hast. Vergiss das nie.'
Catherine sieht Kyle direkt in die Augen, und Kyle hat auf einmal das Gefühl, die Herrschaft über sich selbst zu verlieren.
'Ich nehme an, wir beide wissen, was du zu tun hast, nicht wahr?'
'Alles was du willst.'
Kyle hört seine Stimme wie aus weiter Entfernung, und eine Stimme in seinem Hinterkopf flüstert ihm zu, dass er gerade einen großen Fehler macht. Als wenn er gerade einen Pakt mit seinem eigenen Blut unterzeichnen und einer Dämonin seine Seele verkaufen würde.
'Alles was ich will. Das dachte ich mir. Ehrlich gesagt hätte ich auch keine andere Antwort akzeptiert. Du bist ein kluges Menschlein...Kyle...'
Sie steht auf einmal direkt vor ihm, und wieder läuft es ihm kalt den Rücken herunter. War sie nicht eben noch...? Er verdrängt den Gedanken, während ihre kalten Eisaugen ihn bannen, so wie eine Schlange ein Kaninchen, bevor sie es verschlingt.
'Komm her...Kyle...'
Ihre Stimme, ein Flüstern, verführerisch und gleichzeitig furchteinflößend.
'Komm zu mir...ich habe ein Geschenk für dich, das nur wenigen jemals zu Teil geworden ist.'
Ihre Lippen öffnen sich, und Kyle schüttelt den Kopf, ihre Zähne, was ist mit ihren Zähnen...
Kyle bekommt es mit der Angst zu tun. Etwas ist falsch, er begeht gerade einen fürchterlichen Fehler...
Er will Catherine zurückstoßen, ihre Augen, denkt er, wie die einer Spinne, aber ihre zu Klauen verformten Hände haben seinen Kopf schon wie Schraubzwingen umfasst, und sie drückt ihre Lippen auf die seinen. Kyle spürt, wie sein Widerstand beiseite gewischt wird, und ein eigenartiger Geschmack beginnt sich in seinem Mund auszubreiten - verführerisch, betörend, süß. Kyle erwidert den Kuss leidenschaftlich…
...als sich urplötzlich ein Gefühl der Kälte in seinen Adern ausbreitet und sich schwarze Tentakel ihren Weg durch Kyles Adern bahnen, auf der Suche nach seinem ganz eigenen Herz der Finsternis.
***
Catherine bedenkt Kyles zusammengesunkene Gestalt mit einem angeekelten Blick. Menschen. Pathetische Kreaturen, zu nichts anderem geschaffen, um ihr als Nahrung oder als Sklave zu dienen. Wie sie es hasst, sich mit ihnen abgeben zu müssen. Und doch – diesmal könnte es ihr eine ganz besondere Form von Amüsement verschaffen. Mit einem leisen Lachen dreht sie sich um und verlässt den Raum, ohne Kyle noch eines einzigen Blickes zu würdigen.
***
Das Erste, was Kyle sieht, als er erwacht, ist die Decke. Du bist ohnmächtig geworden, denkt er. In seinem Schädel rasen die Schmerzen wie eine Flipperkugel hin und her, und in seinem Magen tobt immer noch Übelkeit. Langsam erhebt er sich und torkelt in die Küche, wo er ein großes Glas Wasser trinkt, das ihm aber nur wenig Erleichterung verschafft. Auf der Zunge schmeckt er immer noch einen fauligen metallischen Geschmack.
Mühsam versucht er sich zu erinnern. Er hatte Besuch von einer Frau. Seiner Auftraggeberin. Wie war noch ihr Name? Er versucht sich zu erinnern, ihr Bild vor seinem inneren Auge auferstehen zu lassen, doch es will ihm nicht gelingen. Als wäre seine Erinnerung gelöscht worden. Egal - weshalb sie hier war, daran kann er sich noch sehr gut erinnern. Wie waren nochmal ihre Worte?
'Sie hat sich auf die Jagd begeben...etwas Schreckliches ist ihr zugestoßen...'
Die Worte hallen in seinem Kopf wieder.
War da nicht noch etwas? Kyle müht sich erfolglos. Nichts. Ändert auch nichts daran, dass gewisse Dinge langsam Sinn ergeben. Auch wenn er sich noch nicht völlig sicher ist. Er massiert seine schmerzenden Schläfen und verzieht den Mund. Es hört niemals auf. Er hätte es wissen müssen. Wenn du einmal dem Teufel den kleinen Finger reichst, dann hat er dich mit Haut und Haar, ein Leben lang, und wenn es schlecht läuft, auch eine ganze Ewigkeit.
Ein plötzliches Gefühl der Übelkeit breitet sich in seinen Eingeweiden aus. Kyle schafft es gerade noch zur Toilettenschüssel und übergibt sich, während er im Spiegel hinter sich den Gehörnten zu sehen glaubt, der ihm hämisch zuzwinkert.
Willkommen in der Hölle, Kyle McCarson.
Menschen / 10
Nachdem sich seine Eingeweide beruhigt haben, wühlt sich Kyle fieberhaft durch seine alten Unterlagen. Schmutz, Beweise, Transkripte von Telefonaten –
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