Die Fährte der Toten
Frau. Wenn sie du das hier übersteht, ist deine Kindheit vorbei, denkt er.
Das Mädchen hat während der ganzen Zeit still vor sich hingedämmert und fühlt sich an wie eine Puppe, als Pete sie vom Bett hebt und so sachte wie möglich auf den Stuhl setzt. Er nimmt sich ebenfalls einen Stuhl, dreht ihn herum, nimmt ihr gegenüber Platz und umfasst ihre linke Hand mit der seinen. Mit der Rechten hebt er ihren Kopf sanft an und sieht ihr in die Augen. Das Mädchen blickt aus halb geöffneten Augen zurück. Der Blutverlust und die daraus resultierende Schwäche lassen sie am Rand der Ohnmacht wandeln, aber sie scheint zu spüren, dass nun etwas geschehen wird.
Immer noch lächelnd lässt Pete seine rechte Hand sinken und brummt zustimmend, als Lees Kopf nicht wieder auf ihre Brust sackt. Er zieht sein Messer aus dem Stiefelschaft.
'Ich werde jetzt Dein Shirt aufschneiden, ok? Damit wir die Wunden säubern können. Du bist angeschossen worden, deshalb müssen wir die Kugeln raus holen. Das wird sehr…anstrengend für dich. Wir haben leider nichts, um den Schmerz zu dämpfen. Aber ich glaube...' er sucht für einen Moment nach den richtigen Worten '...du hast heute Nacht schon mehr als einmal Schmerzen erleiden müssen. Und du hast es bis hierher geschafft. Deshalb wirst du auch diesen letzten Teil überstehen. Ganz sicher wirst du das.'
Er drückt ihre Linke wie um sie aufzumuntern, und ein mattes Lächeln erscheint auf ihren Lippen. Pete nimmt zum ersten Mal wahr, dass sie eine wirklich hübsche junge Frau ist. Kein Mädchen mehr.
'Ok, wir fangen an. Wenn du schreien willst, schrei. Wenn du etwas möchtest, wo du draufbeissen kannst, holen wir dir was.'
'Nein. Ich will nichts. Gar nichts.'
Ihre Stimme ist leise und gepresst, aber Pete kann sie mehr als deutlich verstehen. Das Mädchen verzieht das Gesicht vor Schmerz und verkneift sich die Tränen, bevor sie weiter spricht.
'Alles was ich will ist, dass du mich wachhältst...'
Pete sieht sie einen langen Moment an und nickt dann.
'Ok, ich halte dich wach.'
Das Mädchen nickt nur langsam, und mit wenigen Schnitten trennt Pete das Shirt auseinander und zieht es gemeinsam mit Elton von Lees Oberkörper.
'Pete?'
'Ja?'
'Das Messer. Und du musst sie wirklich festhalten, ok?'
'Ich habs kapiert, Doktor. Ist nicht das erste Mal, dass ich assistiere.'
Mit geschickten Bewegung beginnt Elton die Wunden zu säubern. Das Mädchen zuckt ein wenig zusammen und zischt durch ihre zusammengebissenen Zähne. Elton nickt Pete zu und atmet noch einmal tief durch, dann konzentriert er sich ganz auf seine Aufgabe. Die Spitze des Messers schwebt über der ersten Wunde.
'Bereit?'
'Bereit.'
Pete umfasst Lees Oberarme und hält Lee mit festem Griff. Ihre Blicke treffen sich, und Pete verspürt ein Frösteln, als er für einen kurzen Moment hinter diesem Grün etwas zu entdecken scheint, was so gar nicht zu der Frau passt, die mit blutverschmiertem Oberkörper über dem Stuhl hängt.
Nämlich diesen kalten, dunklen Ort, den er in den Augen der Überlebenden gesehen hatte, damals, kurz bevor die Hubschrauber kamen, die ihre Wiedergeburt einläuteten. Wer auch immer auf diese Namenlose geschossen hat, er hätte besser zielen sollen. Egal wer du bist, denkt er, du hast nun eine Feindin, vor der du dich fürchten solltest. Wenn sie es überlebt. Aber eigentlich weiß Pete, dass sie überleben wird. Hass und Zorn – sie sind mächtige Verbündete.
Elton ist schnell, doch Pete kommt es vor wie eine Ewigkeit.
'Sie hat Glück gehabt – wenn man hier von Glück sprechen kann.'
Pete nickt geistesabwesend, aber er wendet den Blick nicht von den Augen der Frau ab, die ihn gleichzeitig verstören und bezaubern. Pete kommt es vor, als wenn sich ein unsichtbares Band zwischen ihm und dem Mädchen gebildet hätte. Wir gehören nun zusammen, denkt er.
‘Du kannst sie loslassen Pete.'
Eltons Stimme ist sanft, und Pete erwacht wie aus einer Trance.
'Hier. Dein Messer.'
Pete lässt die Frau sachte los und nimmt das Messer entgegen, ohne Elton anzuschauen. Er betrachtet nachdenklich erst die Klinge und dann die Frau auf dem Stuhl. Sie hat durchgehalten. Ohne einen Laut. Er kann es kaum fassen. Pete nimmt das Messer und betrachtet es. Auch die Frau schaut es wie gebannt an. Langsam nimmt Pete die Scheide aus seinem Stiefel, steckt das Messer hinein und gibt es ihr.
'Es
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