Die Fährte der Toten
keine Ahnung, wen Sie meinen. Verschwinden Sie. Oder ich rufe die Polizei!'
Frank lacht kurz auf.
'So so, du hast also keine Ahnung….'
Von dem Kerl geht eine Aura der Kälte aus, deren Hauch Daryll auch bei Lee wahrzunehmen geglaubt hatte. Nur, was sich bei Lee immer hinter ihrem verführerischen Lächeln verborgen hielt, springt Daryll bei diesem Kerl direkt an. In ihrer Magengegend bildet sich langsam aber unaufhaltsam ein eisiger Klumpen.
'Wo ist sie? Spucks aus, oder ich schwöre dir bei deinem Gott, du wirst leiden.'
Der meint es ernst. Das ist kein Vergewaltiger, der auf eine besonders kranke Nummer aus ist. Das ist ein lupenreiner Psychopath. Daryll überlegt panisch. Was sagen?
'So so, auf einer Ausstellung...eine Klientin treffen. Sieht ihr gar nicht ähnlich, so ein Ort für solche delikate Angelegenheiten. Na ja, die Geschmäcker ändern sich halt.'
Daryll wird kreidebleich. Er kann ihre Gedanken lesen? Das gibt es doch nicht, das -
'Doch, das kann sein. Aber mach dir nichts draus, ich hör ja schon auf.'
Frank schüttelt den Kopf.
'Lassen wirs gut sein fürs erste und setzen wir unsere Unterhaltung doch einfach an einem Ort fort, wo es ein wenig gemütlicher ist.'
Daryll will protestieren, irgendetwas sagen, doch bevor sie auch nur reagieren kann, spürt sie einen dumpfen Schmerz und es wird schwarz um sie herum.
***
Ein Alptraum. Du hast einen Alptraum. Gleich wirst du in deinem Bett aufwachen und -
Das ist kein Traum. Dazu ist der Schmerz in ihrem Schädel viel zu real. Ihr Blick ist immer noch verschwommen, doch die Gestalt vor ihr kommt ihr bekannt vor. Sofort kehrt die Angst zurück, stärker noch als zuvor. Stöhnend richtet sich Daryll auf und sieht sich um. Ein Keller. Nackte Betonwände, an denen Metallregale stehen.
'Na, wieder wach?'
Die Stimme reißt Daryll endgültig ins Hier und Jetzt zurück. Sie spürt eine Woge der Wut, die aber gleich wieder von dem Gefühl der Angst abgelöst wird. Du kommst hier nicht mehr lebend raus. Wenn du nicht sehr vorsichtig bist.
'Was wollen Sie von mir?'
'Von dir? Eigentlich nichts. Ich will was von deiner Freundin. Meiner Kleinen.'
Daryll schüttelt irritiert den Kopf, und der Kerl lacht leise auf.
'Ach so...nee, ich hab nix mit ihr. Sie steht eher auf deinen Typ, das ist schon richtig. Guten Geschmack hatte sie schon immer. War immer hübsch wählerisch. Hat sich nicht geändert. Genauso wenig wie die Tatsache, dass sie weiß, wann es Zeit ist zu verschwinden. Darin ist sie ganz groß.'
Der Kerl geht in die Hocke und starrt auf einen Punkt an der dunklen Wand hinter Daryll.
'Weißt du, Lee ist schon was Besonderes. Sie hat immer einen Riecher dafür, was sie sich leisten kann und wann sie die Finger von einer Sache lässt. Deswegen hat sie dich auch sitzen lassen. Ich hatte so fest damit gerechnet, dass sie doch noch schwach wird und dich holt. Aber sie ist hart geblieben. Kluges Mädchen. Aber was sag ich da, ich hab sie ja schließlich ausgebildet.'
Daryll hält sich den schmerzenden Kopf und sieht Frank verstört an.
'Ah ja, du bist ja nicht auf dem aktuellen Stand. Nun, ich glaube, ich tue dir keinen Gefallen, wenn ich dir von ihrem kleinen Geheimnis erzähle. Nur so viel will ich dir sagen – sie hat dich nicht betrogen. Ist nicht ihre Art. Ein Grund, warum ich wirklich ein Faible für sie habe.'
Frank sieht Daryll wieder an.
‚Ich könnte natürlich trotzdem versuchen, sie herzulocken, indem ich dich als Köder benutze. Das wäre eine Möglichkeit. Nur dazu müsste sie natürlich erst mal rauskriegen, dass du weg bist.'
'Das weiß sie bestimmt schon. Und dann wird sie sich auf der Suche nach mir machen.'
Frank betrachtet Daryll nachdenklich, dann schüttelt er wieder seinen Kopf.
'Nein. Wird sie nicht. Sie ist loyal, das ist wahr. Aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Denn wenn es sein muss, kann sie mehr als ruchlos sein.'
Daryll spürt, wie ihr eine Träne über die Wange läuft.
'Warum – ich meine, wieso bin ich dann -'
'Weil du ein loses Ende bist. Du bist nah dran gewesen an ihr. Zu nah für meinen Geschmack. Weiß der Geier, was sie dir erzählt hat - '
'Gar nichts. Was sollte sie mir erzählt haben? Sie hat mir nicht mal verraten wollen, was sie macht - '
Frank lacht.
'Das glaub ich dir sofort. Welcher Killer erzählt schon von seinem Job. Hey, wie wars heute bei dir.
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