Die Fährte des Nostradamus
dunkelblauen Augen waren von unzähligen Lachfalten umrandet und gaben dem Hünen das Aussehen eines gutmütigen Brummbären. Steves Augen hingegen leuchteten eigentümlich in einem unergründlichen Mix aus blau, grau und grün. In jungen Jahren brachte er mit seinen besonderen Blick reihenweise Mädchenherzen zum schmelzen und während seiner aktiven Zeit als Agent Sekretärinnen dazu, ihm geheimste Informationen ins Ohr zu hauchen.
Die letzte Beziehung zu einer Frau lag allerdings schon Jahre zurück. Er konnte sich nicht vorstellen dass es eine Frau gab, die mit seiner Behinderung umgehen konnte. Bohrende Kopfschmerzen die eine ständige Einnahme von schweren Medikamenten erforderte, machten ein Leben mit ihm nicht leicht. So kam es vor, dass er tagelang nicht redete, weil er wegen der vielen Nebenwirkungen einfach keinen klaren Gedanken fassen konnte. Schlimmer noch waren die Krämpfe, die ihn kaum eine Nacht durchschlafen ließen.
Collum Harris war von Natur aus ein schweigsamer Mensch. Oft war es so, das Vater und Sohn des Abends zu Bett gingen, ohne den Tag über auch nur ein Wort miteinander geredet zu haben. Sie brauchten nicht viele Worte um sich zu verständigen.
Würziger Duft von Collums Pfeifentabak wehte Steve entgegen, als der Hüne mit dem Handy in dessen Richtung stapfte.
Wortlos hielt Collum seinem Sohn das Gerät hin. Collum mochte diese Dinger nicht, besaß aber ebenfalls ein eigenes. Für alle Fälle! Als Steve sich nicht anschickte das Gespräch entgegen zu nehmen, legte er das Handy auf die Werkzeugkiste neben ihm und stapfte wortlos davon.
Steve blickte missmutig auf das Handy. Collum hatte es direkt neben den Hammer gelegt, dessen Holzstiel noch deutliche Spuren von Nessies Zähnen zeigte. Lindsay, die Besitzerin des einzigen Ladens vor Mousehole, hatte den kleinen Mischlingswelpen aus der Stadt mitgebracht. Es stellte sich bald heraus, dass die beiden Frauen nicht miteinander konnten. Nessie hieß damals noch Gladdys und hatte daran Gefallen gefunden, im Laden die Ware nach ihren wünschen zu arrangieren. Sehr zum Ärger von Lindsay, denn nach vollendeter Arbeit der Hündin, sah die Ware alles andere als ansprechend aus. Der Versuch, Gladdys vom Laden fern zu halten scheiterte an der ausgeprägten Intelligenz der Hündin, sowie an Linseys nicht vorhandener. Als Steve eines Tages ein paar Einkäufe machte, konnte er gerade noch verhindern, dass Lindsay der Hündin einen schweren Kübel hinterher warf. Zehn Pfund später war der Handel perfekt und aus Gladdys wurde Nessie.
Das Verhältnis zwischen Steve und Nessie war von Anfang an kameradschaftlich und die Streifzüge der Beiden durch die Natur die schönsten Momente für Steve.
Eines Tages kam Nessie von einem ihrer Abendlichen Streifzügen nicht mehr zurück. Steve und sein Vater suchten die Gegend um ihre Hütte tagelang ab und sahen irgendwann ein, dass Nessie nicht mehr wiederkehren würde. Für Steve bedeutete der Verlust des geliebten Tieres einen weiteren Tiefpunkt in seinem Leben und es dauerte Monate, bis das Leben der Männer wieder zu einer gewissen Normalität fand.
Collum war es, der Nessies Skelett eines Tages in einem zerrissenen Netz fand. Das arme Tier hatte sich vermutlich beim herumtollen darin verfangen und als dann die Flut kam…
Er hatte Steve nie von seiner traurigen Entdeckung erzählt und dankte Gott, dass er und nicht sein Sohn an diesem Tag die Reusen nachschauen musste.
Das Handy klingelte unerbittlich und Steve hatte große Lust, es einfach ins Meer zu werfen. Mürrisch nahm er das Gespräch schließlich an. An der Stimme erkannte er sofort, dass Ed Sheldon am Apparat war.
Bilder eines längst vergangenen Lebens tauchten mit Sheldons vertrauter Stimme in Steves Gedächtnis auf. Bilder, die er seit Jahren versuchte zu vergessen. Wenn Sheldon anriefe, war es sicher nicht der alten Zeiten wegen. Hatte er es nicht inzwischen sogar zum Botschafter gebracht? Ed Sheldon als Botschafter. Was es nicht alles gab dachte er und nahm das Handy in die Hand.
Dabei konnte er nicht einmal behaupten, mit Ed schlechte Erfahrungen gemacht zu haben. Nur gehörte er einfach in eine Welt, die Steve für immer hinter sich gelassen hatte. Dem entsprechend viel auch seine Begrüßung aus.
„Hallo Ed, bevor Du weiter redest, meine Antwort ist nein. Ich wünsche Dir noch einen schönen Tag, und ein Leben ohne Blei.“
Sheldon hatte mit keiner anderen Reaktion gerechnet. Es wusste über Steves zurück gezogenes Leben
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