Die Fährte des Nostradamus
Als Kirsten ihn damit aufzog, hüstelte er gekünstelt und nahm einen Schluck aus seiner Flasche.
„Ich wollte mir gerade etwas zu naschen holen“, fuhr Kirsten fort, „da fiel mein Blick zufällig auf den Text. Ich hatte den Umschlag neben mir liegen und eine Seite schaute oben ein wenig heraus. Bingo! Hast Du schon einmal diese dreidimensionalen Bilder gesehen? Wo man lange drauf schauen muss und dann erst das darin versteckte Bild erkennt?“ Steve nickte interessiert. „So war das auch mit der geheimnisvollen Entschlüsselung des Textes.
Ich hatte die Schmierereien auf dem Blatt für Abdrücke einer darauf folgenden Seite gehalten. Von wegen! Der gute Nostradamus hat sicher lange daran gefeilt, es so aussehen zu lassen. Das war Absicht. Die Vermeintlichen Abdrücke waren der Schlüssel! Was sagst du nun, Steve?“
Steve hatte aufmerksam zugehört. Er war fasziniert von der Idee, die dahinter steckte. Da konnten noch so viele Übersetzungen der Centurien veröffentlicht werden, hinter das Geheimnis würde man nie kommen, denn nicht die gedruckten Ausgaben, sondern die original Schriften enthielten den Schlüssel der Prophezeiungen.
„Und das… also diese Abdrücke konntest Du lesen?“
„Nicht sofort. Wie Du weißt, habe ich keinen Schimmer vom Französischen. Ich musste aber davon ausgehen, dass der Schlüssel in Französisch geschrieben wurde. Aber wieder musste ich mein Haupt vor dem Genie aus dem Mittelalter neigen. Das war Steno. Ganz einfach gehaltenes Steno. Sagt Dir doch sicher etwas, oder?“
„Ja Stenographie kenne ich. Schreiben und Lesen kann ich das zwar nicht, aber ich habe diese seltsamen Kringel schon oft gesehen. Das ist wirklich genial“.
Kirsten war über Steves Überraschung amüsiert. Er erinnerte sie an einen kleinen Jungen, der gerade einige Dinge über die Geheimisse der Welt verstand.
„Ich hatte nicht gewusst, dass man im Mittelalter schon Steno kannte.“
„Ich auch nicht. Ich war zunächst auch nur an Steno erinnert, lesen konnte ich es nicht. Damals, als junge Studentin, hatte ich mich für Steno interessiert. Das kann sehr nützlich sein, wenn man in Vorlesungen mitschreiben möchte. Einige Zeichen erkannte ich auf Anhieb. Aber es waren auch welche dabei, die ich nicht kannte. Das wäre ja auch zuviel des Guten, wenn Nostradamus auch noch deutsches Steno verwendet hätte. Womöglich noch an mich persönlich adressiert.“
Kirsten musste kichern. Das Bier tat seine Wirkung. Auch Steve konnte nicht mehr, und hielt sich den Bauch vor Lachen.
„Jedenfalls war ich angestochen“, berichtete Kirsten weiter, als sie sich wieder einigermaßen beruhigt hatte. „Am nächsten Tag suchte ich mir ein paar Bücher über Steno aus der Unibibliothek und forschte nach. Tatsächlich kannte man schon im alten Rom die Stenographie. Politische Debatten wurden dort von den Schreibern in Steno festgehalten. Die Römer waren sozusagen die Erfinder der Stenographie. Danach war alles ein Kinderspiel. Ich lernte die alte römische Form des Steno, denn in der hatte Notredamme geschrieben und konnte die Prophezeiungen lesen. Nicht schlecht was? Noch ein Bierchen?“ Sie bestellten noch zwei.
„Und so hast Du dann erfahren, das dieser verehrende Wirbelsturm die Ostküste Amerikas heimsuchen wird?“
„Ja, habe ich.“ Kirstens Gesicht verfinsterte sich. „Das erste Dokument jedoch befasste sich mit dem Tsunami. Erinnerst du Dich?“
Steve konnte sich gut an die schockierenden Bilder erinnern, die wochenlang die Schlagzeilen bestimmten. Fast eine Million Menschen kamen dabei ums Leben.
„War es Zufall, oder auch nicht. Dieses Dokument jedenfalls barg eine Prophezeiung, die unmittelbar nach seiner Entschlüsselung stattfinden sollte. Du kannst dir sicher vorstellen wie entsetzt ich war, als ich quasi live am Fernseher seine Erfüllung miterleben musste. Ich bekomme immer noch eine Gänsehaut, wenn ich daran zurück denke.“
„Kann ich mir denken. Was stand denn da genau. Ich meine, die Botschaft auf meiner Kopie war sehr kurz. Ist das typisch für die Prophezeiungen des Nostradamus?“
Kirsten dachte angestrengt nach. Der Alkohol, gepaart mit den Anstrengungen der letzten Tage, machten ihr das Denken schwer.
„Die Fluten werden gehen, um mit tausendfacher Kraft zurück zu kehren. Mensch und Tier, Baum und Stein… alles wird ihr weichen und die Welt für kurze Zeit einen“, versuchte Kirsten den Text aus ihrem Gedächtnis zu rufen. „Sorry, aber so ganz bekomme ich das nicht
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