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Die Fährte

Die Fährte

Titel: Die Fährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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tragen.«
    »Vielleicht.«
    »Vielleicht?«
    »Ich weiß nicht«, seufzte Harry.
    »Du wirkst so …«
    »Müde. Mach's gut.«
     
    Harrys Position auf der Erde drehte sich immer mehr von der Sonne weg, so dass es immer früher am Nachmittag dunkel wurde. Die Zitronen vor Alis Laden leuchteten wie kleine, gelbe Sterne, und der feine Regen überzog die Straße mit einer lautlosen Dusche, als sich Harry über die Sofies Gate näherte. Der Nachmittag war mit der Organisation der Überweisung nach El-Tor verstrichen. Dabei war das keine große Aktion gewesen. Er hatte mit Øystein gesprochen, seine Passnummer und die Adresse der Bank erhalten, die neben seinem Hotel lag, und dann alles telefonisch an die Redaktion der Gefängniszeitung Wiedergänger übermittelt, in der Raskol gerade an einem Artikel über Sun Tzu schrieb. Jetzt hieß es nur noch warten.
    Harry hatte die Haustür erreicht und wollte gerade seine Schlüssel heraussuchen, als er tapsende Schritte hinter sich hörte. Er drehte sich nicht um.
    Bis er das leise Knurren hörte.
    Eigentlich war er nicht überrascht. Macht man unter einem Schnellkochtopf die Platte an, muss früher oder später etwas geschehen.
    Die Hundeschnauze war schwarz wie die Nacht, was das Weiß der gefletschten Zähne noch hervorhob. Das schwache Licht der Lampe über der Tür funkelte in einem Tropfen Speichel, der von einem langen Reißzahn herabhing.
    »Sitz«, befahl eine bekannte Stimme aus dem Schatten der Garageneinfahrt auf der anderen Seite der schmalen, stillen Straße. Widerwillig senkte der Rottweiler seine breite, muskulöse Hüfte auf den Asphalt, wobei er Harry aber nicht aus seinen braunen, blanken Augen ließ, die nicht im Geringsten an das erinnerten, was man gemeinhin unter einem Hundeblick verstand.
    Der Schatten der Hutkrempe reichte über das Gesicht des Mannes herab, der sich näherte.
    »Guten Abend, Harry, haben Sie Angst vor Hunden?«
    Harry sah in die rote, aufgerissene Schnauze vor sich. Ein bisschen Allgemeinwissen quoll an die Oberfläche. Die Römer hatten die Vorväter der Rottweiler genutzt, um Europa zu erobern. »Nein, was wollen Sie?«
    »Ihnen nur ein Angebot machen. Ein Angebot, das Sie nicht … wie heißt das noch?«
    »O.K., O.K., was für ein Angebot, Albu?«
    »Waffenstillstand.« Arne Albu drückte die Krempe des Hutes nach oben. Er versuchte sich an seinem jungenhaften Lächeln, doch es saß nicht so natürlich wie sonst. »Sie halten sich von mir fern und ich mich von Ihnen.«
    »Interessant. Und was sollten Sie mir tun können, Albu?«
    Albu nickte in Richtung des Rottweilers, der nur einen Sprung von Harry entfernt hockte. »Ich habe meine Methoden und ich verfüge auch über gewisse Ressourcen.«
    »Hm.« Harry führte seine Hand zur Zigarettenschachtel in seiner Manteltasche, hielt aber inne, als das Knurren gefährlich lauter wurde. »Sie sehen müde aus, Albu. Sind Sie erschöpft vom Weglaufen?«
    Albu schüttelte den Kopf. »Nicht ich bin es, der wegläuft, sondern Sie.«
    »Ach ja? Eine unspezifische Bedrohung eines Polizeibeamten auf offener Straße. Für mich ist das ein Zeichen der Erschöpfung. Warum wollen Sie nicht mehr spielen?«
    »Spielen? Halten Sie das wirklich für ein Spiel? Eine Art Kniffel um das Schicksal der Menschen?«
    Harry sah die Wut in Albus Augen. Doch auch noch etwas anderes. Seine Kiefer arbeiteten und die Adern an Stirn und Schläfe traten hervor. Das war Verzweiflung.
    »Sind Sie sich eigentlich bewusst, was Sie getan haben?« Er flüsterte fast und unternahm jetzt keinen Versuch mehr zu lächeln. »Sie hat mich verlassen. Sie hat die … Kinder genommen und ist verschwunden. Wegen einer Bagatelle. Anna bedeutete mir nichts mehr.« Arne Albu trat ganz dicht an Harry heran. »Anna und ich haben uns getroffen, als mir ein Freund seine Galerie zeigen wollte, in der Anna zufällig gerade eine Vernissage hatte. Ich habe zwei von ihren Bildern gekauft, ich weiß auch nicht, warum. Ich sagte ihr, die wären für mein Büro. Natürlich habe ich sie niemals irgendwo aufgehängt. Als ich am nächsten Tag kam, um die Bilder zu holen, kamen Anna und ich ins Gespräch, und plötzlich hatte ich sie zum Mittagessen eingeladen. Dann wurde daraus ein Abendessen und zwei Wochen später ein Wochenendtrip nach Berlin. Alles ging irgendwie holterdipolter. Ich hing fest und versuchte nicht einmal, wieder loszukommen. Nicht bevor Vigdis bemerkte, was ablief, und mir androhte, mich zu verlassen.«
    Ein leichtes Zittern war in

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