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Die Fährte

Die Fährte

Titel: Die Fährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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versammelten. Die Sonne war jetzt nur noch ein brennender roter Rand auf der Meeresoberfläche und zehn Minuten später war es dunkel.
    Als Roger eine Stunde später fluchend auftauchte, war er unter seinem Sonnenbrand ganz blass.
    »Zigeunerarsch!«, murmelte er zu Mohammed und erzählte ihm, dass er schon in Fredos Bar die Gerüchte über die fette Belohnung gehört hätte und dann gleich aufgebrochen sei. Auf dem Weg sei er noch bei Petra im Supermarkt vorbeigegangen, der Deutsche und die blonde Frau waren gleich zwei Mal bei ihr gewesen. Beim zweiten Mal hätten sie aber nichts gefragt, sondern nur eine Angelschnur gekauft.
    »Was wollen die denn damit?«, fragte er und sah sich rasch um, während ihm Mohammed einen Kaffee eingoss. »Etwa fischen?«
    »Bitte«, sagte Mohammed und nickte in Richtung Tasse. »Gut gegen Paranoia.«
    »Paranoia?«, brüllte Roger. »Das ist reine Vernunft. Verfluchte Tausend Dollar! Für ein Zehntel würden die Leute hier doch ohne zu zögern ihre Mutter verkaufen!«
    »Also, was willst du machen?«
    »Was ich machen muss. Dem Deutschen zuvorkommen.«
    »Ach ja. Und wie?«
    Roger nippte am Kaffee und zog dabei eine schwarze Pistole mit kurzem, braunem Schaft unter dem Hosenbund hervor. »Sag meiner Taurus PT92C aus São Paulo guten Tag.«
    »Nein danke«, fauchte Mohammed. »Pack das Ding augenblicklich weg. Du bist ja verrückt. Willst du es allein mit dem Deutschen aufnehmen?«
    Roger zuckte mit den Schultern und steckte die Pistole wieder weg. »Fred liegt zitternd zu Hause. Er sagt, er will nie wieder nüchtern werden.«
    »Dieser Mann ist ein Profi, Roger.«
    Roger schnaubte. »Und ich etwa nicht? Ich hab auch ein paar Banken ausgeräumt, oder? Und weißt du, was das Wichtigste ist, Mohammed? Das Überraschungsmoment. Darauf kommt es wirklich an.« Roger kippte den Rest des Kaffees hinunter. »So professionell ist der auch nicht, wenn er Gott und der Welt verrät, in welchem Zimmer er wohnt.«
    Mohammed verdrehte die Augen und bekreuzigte sich.
    »Allah sieht dich, Mohammed«, murmelte Roger trocken und stand auf.
     
    Roger sah die blonde Frau sofort, als er in die Rezeption kam. Sie saß bei einer Gruppe Männer, die ein Fußballspiel im Fernseher über der Bar verfolgten. Richtig, heute Abend war ja das flaflu, das traditionelle Derby zwischen Flamengo und Fluminese in Rio, deshalb war es bei Fredo auch so voll gewesen.
    Er ging rasch an ihnen vorbei und hoffte, von niemandem bemerkt worden zu sein. Dann hastete er die Treppe hinauf und verschwand auf dem Flur. Er wusste gut, wo das Zimmer lag. Wenn Petras Ehemann einmal die Stadt verlassen musste, hatte er Zimmer 69 auch schon mal im Voraus reserviert.
    Roger legte das Ohr an die Tür, hörte aber nichts. Er blickte durch das Schlüsselloch, doch es war dunkel im Zimmer. Entweder war der Deutsche ausgegangen oder er schlief. Roger schluckte. Sein Herz klopfte schnell, aber die halbe Pille, die er eingeworfen hatte, ließ ihn ruhig bleiben. Er versicherte sich, dass die Pistole geladen und entsichert war, ehe er vorsichtig die Klinke nach unten drückte. Die Tür war offen! Roger schlüpfte rasch ins Zimmer und schloss die Tür leise hinter sich. Dann blieb er im Dunkel stehen und hielt den Atem an. Er sah und hörte nichts. Keine Bewegung, kein Atmen. Nur das schwache Surren des Deckenventilators. Glücklicherweise kannte sich Roger im Zimmer aus. Er zielte mit der Pistole auf das herzförmige Bett, während sich seine Augen langsam an das Dunkel gewöhnten. Ein schmaler Streifen Mondlicht warf einen blassen Lichtschein auf das Bett. Die Decke war zurückgeschlagen. Das Bett war leer. Er dachte rasch nach. Konnte es sein, dass der Deutsche das Zimmer verlassen und abzuschließen vergessen hatte? Dann könnte sich Roger ja einfach hinsetzen und darauf warten, dass er zurückkam und dann wie eine Zielscheibe in der Tür stand. Aber das erschien ihm zu schön, um wahr zu sein, wie eine Bank mit offenem Tresor. So etwas gab es schlichtweg nicht. Das kam nicht vor. Der Deckenventilator.
    Die Bestätigung erhielt er noch in der gleichen Sekunde.
    Roger zuckte zusammen, als er plötzlich das Geräusch von rauschendem Wasser aus dem Badezimmer hörte. Der Kerl hatte auf dem Klo gesessen! Roger umklammerte die Pistole mit beiden Händen und richtete sie mit ausgestreckten Armen dorthin, wo er die Badezimmertür vermutete. Fünf Sekunden vergingen. Acht Sekunden. Roger konnte nicht mehr länger die Luft anhalten. Worauf zum Teufel

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