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Die Fährte

Die Fährte

Titel: Die Fährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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hatte Freitag frei, aber ich habe das ja in den Nachrichten gehört. Und das jetzt, wo ohnehin schon alle so hysterisch sind. Da mussten ja alle da sein.«
    »Sie haben keine Bombe gefunden.«
    »Natürlich nicht. Es ist ein klassischer Trick, unmittelbar vor einem Überfall etwas zu erfinden, das die Polizeikräfte an einen anderen Ort bindet.«
    Gedankenverloren sahen sie sich den Rest der Aufnahme an. August Schultz stand vor dem Fußgängerüberweg und wartete. Aus Grün wurde Rot und dann wieder Grün, ohne dass er sich in Bewegung setzte. Auf was wartet er?, dachte Harry. Eine Abweichung, eine extra lange Grünphase, eine hundertjährige Ampelwelle? Tja. Bald würde sie kommen. In der Ferne hörte er die Polizeisirenen.
    »Irgendetwas stimmt da nicht«, sagte Harry.
    Beate Lønn antwortete mit dem müden Seufzer eines alten Mannes. »Irgendetwas stimmt immer nicht.«
    Dann war der Film zu Ende, auf der Leinwand wütete ein Schneesturm.
     

 
     
     

    Kapitel 4 – Das Echo
     
    »Schnee?«
    Harry brüllte ins Handy, während er über den Bürgersteig hastete.
    »Ja, klar«, antwortete Rakel über eine schlechte Verbindung aus Moskau, dicht gefolgt von einem knackenden Echo: »… klar.«
    »Hallo?«
    »Es ist eiskalt hier …ier. Drinnen wie draußen … außen.«
    »Und im Gericht?«
    »Auch da knapp unter null. Als wir hier wohnten, hat sogar seine Mutter gesagt, ich solle Oleg nehmen und hier wegziehen. Jetzt hockt sie bei den anderen und wirft mir fast hasserfüllte Blicke zu …icke zu.«
    »Wie läuft die Verhandlung?«
    »Woher soll ich das denn wissen?«
    »Nun, du bist doch Juristin und außerdem sprichst du Russisch.«
    »Harry. Wie hundertfünfzig Millionen andere Russen verstehe ich kein bisschen von diesem Rechtssystem, O.K. …ke?«
    »O.K., und wie packt Oleg das Ganze?«
    Harry wiederholte die Frage noch einmal, ohne eine Antwort zu bekommen, und warf einen Blick auf das Display, um zu überprüfen, ob die Verbindung zusammengebrochen war, doch die Zeitanzeige der Gesprächsverbindung lief. Er drückte sich das Telefon wieder gegen das Ohr.
    »Hallo?«
    »Hallo, Harry, ich höre dich … ich. Du fehlst mir …ir. Warum lachst du … u?«
    »Es hört sich komisch an. Du hast so ein Echo.«
    Harry hatte die Haustür erreicht, zog seinen Schlüssel aus der Tasche und sperrte die Tür auf.
    »Findest du mich zu aufdringlich, Harry?«
    »Ach was.«
    Harry nickte Ali zu, der ein Kickboard durch die Kellertür zu schieben versuchte. »Ich liebe dich. Hallo, hörst du mich? Ich liebe dich! Hallo?«
    Harry blickte betroffen von dem toten Telefon auf und bemerkte das strahlende Lächeln seines Nachbarn.
    »Ja, doch, dich auch, Ali«, murmelte er, während er mühselig Rakels Nummer zum zweiten Mal wählte.
    »Wiederwahl-Taste«, sagte Ali.
    »Häh?«
    »Nichts. Du, sag Bescheid, wenn du mal Lust hast, dein Kellerabteil zu vermieten. Du benutzt das ja nicht so viel, oder?«
    »Habe ich ein Kellerabteil?«
    Ali verdrehte die Augen. »Wie lange wohnst du jetzt hier, Harry?«
    »Ich habe gesagt, ich liebe dich.«
    Ali blickte Harry fragend an, der jedoch abwehrend mit der Hand wedelte und ihm signalisierte, dass er wieder eine Verbindung bekommen hatte. Er joggte die Treppe nach oben und hielt die Schlüssel wie eine Wünschelrute vor sich.
    »So, jetzt können wir reden«, sagte Harry, als er endlich in seiner spartanisch eingerichteten, aber sauberen Wohnung war, die er irgendwann Ende der achtziger Jahre für einen Spottpreis gekauft hatte, als der Wohnungsmarkt am Boden war. Schon manches Mal hatte Harry gedacht, dass er mit diesem Schnäppchen alles Glück aufgebraucht hatte, das ihm im Leben zustand.
    »Wenn du doch hier bei uns sein könntest, Harry! Oleg sehnt sich so nach dir.«
    »Hat er das gesagt?«
    »Er braucht das nicht zu sagen. In dem Punkt seid ihr euch ähnlich.«
    »He, ich habe doch gerade gesagt, dass ich dich liebe. Dreimal. Mit meinem Nachbarn als Zeugen. Weißt du, was das kostet?«
    Rakel lachte. Harry liebte dieses Lachen, seit er es zum ersten Mal gehört hatte. Instinktiv hatte er damals gewusst, dass er alles tun würde, um dieses Lachen öfter zu hören. Am liebsten jeden Tag.
    Er streifte sich die Schuhe ab und lächelte, als er den blinkenden Anrufbeantworter im Flur sah. Er musste kein Hellseher sein, um zu wissen, dass dort ein früherer Anruf von Rakel aufgenommen worden war. Sonst rief niemand Harry Hole privat an.
    »Woher willst du denn wissen, dass du mich liebst?«,

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