Die Fährte
ja vielleicht der Frage zuwenden, ob wir jemanden im Visier haben. Ola?«
Ola Li sah zu Ivarsson hinüber, unsicher, ob er aufstehen sollte oder nicht, doch schließlich entschied er sich, sitzen zu bleiben. »Ja, ich hatte also am Wochenende Dienst. Wir hatten ein fertig redigiertes Video Freitagabend um acht, und ich habe die Fahnder um Unterstützung gebeten, die im House of Pain Dienst hatten. Wer keinen Dienst hatte, wurde Samstag zu Hilfe gerufen. Insgesamt dreizehn Fahnder waren an diesem Freitag gegen acht anwesend …«
»Das ist gut, Ola«, sagte Ivarsson. »Sag uns jetzt, was ihr herausgefunden habt.«
Ola lachte nervös. Es klang wie ein vorsichtiger Möwenschrei.
»Nun?«
»Espen Vaaland ist krankgemeldet«, sagte Ola. »Er ist derjenige, der sich im Bankräubermilieu am besten auskennt. Ich versuche, ihn morgen herzubekommen.«
»Versuchst du uns zu sagen, dass ihr …?«
Olas Augen tanzten rasch über die Runde der Anwesenden. »Wir haben nicht viel«, sagte er leise.
»Ola ist noch immer relativ neu«, sagte Ivarsson, und Harry sah, dass seine Kiefermuskulatur zu arbeiten begonnen hatte. »Ola verlangt eine hundertprozentige Identifikation und das ist ja auch gut so. Aber das ist vielleicht zu viel erwartet, wenn ein Bankräuber …«
»Mörder.«
»… von Kopf bis Fuß maskiert ist, durchschnittlich groß ist, den Mund hält und sich atypisch in zu großen Schuhen bewegt.« Ivarsson richtete sich auf. »Also gib uns lieber die ganze Liste, Ola. Wer sind die aktuellen?«
»Es gibt keine aktuellen.«
»Natürlich gibt es die, es gibt immer irgendwelche möglichen Verdächtigen!«
»Nein«, sagte Ola Li und schluckte.
»Willst du uns sagen, dass keiner eine Vermutung hatte, dass keine unserer übereifrigen freiwilligen Kanalratten, die ihre Ehre daransetzen, täglichen Umgang mit unseren übelsten Zeitgenossen zu haben, und die in neun von zehn Fällen Gerüchte darüber gehört haben, wer das Auto gefahren hat, die Geldsäcke getragen oder an der Tür Wache gestanden hat – auch nur raten wollte?«
»Doch, geraten haben sie«, sagte Ola. »Sechs Namen wurden genannt.«
»Ja, dann spuck sie doch aus, Mann.«
»Ich habe alle Namen überprüft. Drei sitzen ein. Einer ist zur Zeit des Überfalls im Plata gesehen worden. Einer ist in Pattaya in Thailand, das habe ich überprüft. Und dann war da noch einer, der von allen genannt wurde, weil er ihm vom Körperbau her ähnlich war und alles so professionell war; das war Bjørn Johansen von der Tveita-Gang.«
»Ja und?«
Ola sah aus, als wäre er am liebsten vom Stuhl geglitten und unter dem Tisch verschwunden. »Er war im Ullevål-Krankenhaus und wurde am Freitag operiert. Auris Alatae.«
»Auris Alatae?«
»Segelohren«, stöhnte Harry und schnippte einen Schweißtropfen von seiner Augenbraue. »Ivarsson sah aus, als wolle er explodieren. Wie weit bist du?«
»Kurz hinter 21.« Halvorsens Stimme hallte zwischen den Mauern. So früh am Nachmittag hatten sie den Trainingsraum im Keller des Präsidiums fast für sich allein.
»Du hast wohl eine Abkürzung genommen?« Harry biss die Zähne zusammen und erhöhte die Frequenz ein wenig. Um das Ergometerrad, auf dem er saß, hatte sich bereits ein kleiner Schweißsee gebildet, während Halvorsens Stirn noch immer fast trocken schien.
»Ihr steht also noch immer mit leeren Händen da?«, fragte Halvorsen mit gleichmäßigem, ruhigem Atem.
»Abgesehen von dem, was Beate Lønn am Schluss sagte, haben wir nicht viel, nein. Wenn es denn stimmt.«
»Und was sagte sie?«
»Sie arbeitet mit einem Programm, mit dem sie, ausgehend von den Videoaufzeichnungen, ein dreidimensionales Bild von Kopf und Gesicht des Täters erstellen kann.«
»Mit Maske?«
»Das Programm nutzt die Informationen, die es aus den Bildern ziehen kann. Hell, dunkel, Einbuchtungen, Erhebungen. Je enger die Maske sitzt, desto leichter ist es, ein Bild zu erstellen, das der Person darunter ähnlich sieht. In jedem Fall wird es aber nur eine Skizze, aber Beate meinte, dass sie diese nutzen könne, um sie mit den Fotos eventueller Verdächtiger abgleichen zu können.«
»Mit diesem Identifizierungsprogramm des FBI?« Halvorsen drehte sich zu Harry und stellte nicht ohne Faszination fest, dass der Schweißfleck, der seinen Ausgangspunkt auf dem Jokke-&-Valentiner-Logo genommen hatte, sich jetzt über das gesamte T-Shirt ausgebreitet hatte.
»Nein, sie hat ein besseres Programm«, sagte Harry. »Wo bist du jetzt?«
»22,
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