Die Fährte
nächsten Punkt führt, dem Fluchtwagen«, sagte Ivarsson. »Toril?«
Toril trat vor, schaltete den Tageslichtprojektor ein, auf dem bereits eine Folie mit einer Übersicht über die in den letzten drei Monaten gestohlenen Personenwagen lag. In hartem Sunnmøre-Dialekt erklärte sie, welche vier Wagentypen sie für die wahrscheinlichsten Fluchtwagen hielt, da es sich bei diesen um die häufigsten Marken und Modelle handelte, sie helle neutrale Farben hatten und neu genug waren, so dass sich der Räuber sicher fühlen konnte, keine Panne zu bekommen. Speziell einer der Wagen, ein Golf GTI, der im Maridalsveien geparkt gewesen war, sei interessant, da dieser erst am Abend zuvor gestohlen worden sei.
»Bankräuber stehlen die Fluchtwagen oft erst unmittelbar vor einem Raub, damit sie zum Zeitpunkt des Überfalls nicht schon auf den Listen der Streifenpolizisten sind«, erklärte Toril Li, schaltete den Projektor aus und nahm die Folie mit zu ihrem Platz.
Ivarsson nickte. »Danke.«
»Für nichts«, flüsterte Harry Weber zu.
Auf dem nächsten Blatt stand VIDEOANALYSE. Ivarsson hatte die Kappe auf den Stift gedrückt. Beate schluckte, räusperte sich, nahm einen Schluck aus dem Glas vor sich und räusperte sich noch einmal, ehe sie, den Blick auf die Tischplatte gerichtet, begann:
»Ich habe die Körpergröße bestimmt …«
»Beate, sprich bitte etwas lauter …« Kriechtierlächeln. Beate räusperte sich erneut.
»Ich habe aufgrund der Videoaufnahmen die Körpergröße des Täters bestimmt. Er ist 1,79 Meter groß. Ich habe das mit Weber überprüft. Er stimmt mir zu.«
Weber nickte.
»Wunderbar!«, rief Ivarsson mit gekünsteltem Enthusiasmus in der Stimme, riss die Kappe vom Stift und schrieb: GRÖSSE 179 cm.
Beate fuhr in ihrer Konversation mit der Tischplatte fort: »Ich habe gerade mit Aslaksen von der NTNU gesprochen, unserem Stimmenanalytiker. Er hat sich die fünf Worte vorgenommen, die der Bankräuber auf Englisch gesagt hat. Er …« Beate warf einen ängstlichen Blick auf Ivarsson, der ihr, bereit zu notieren, den Rücken zugedreht hatte. »… sagte, die Qualität der Aufnahme sei zu schlecht. Die könne er nicht nutzen.«
Ivarsson ließ die Arme sinken, während gleichzeitig die tief stehende Sonne hinter einer Wolke verschwand und das leuchtende Viereck an der Wand verblasste. Es war mucksmäuschenstill im Raum. Ivarsson holte tief Luft und wippte offensiv auf den Zehen.
»Zum Glück haben wir noch unsere Trumpfkarte.«
Der Dezernatsleiter blätterte zum letzten Blatt um. ÜBERWACHUNGSDIENST.
»Für diejenigen, die nicht im Raubdezernat arbeiten, sollten wir vielleicht erklären, dass der Überwachungsdienst von uns immer als Erstes kontaktiert wird, wenn wir eine Videoaufzeichnung eines Überfalls haben. In sieben von zehn Fällen hilft uns eine gute Videoaufzeichnung, den Täter zu entlarven, wenn dieser ein guter alter Bekannter von uns ist.«
»Auch wenn er maskiert ist?«, fragte Weber.
Ivarsson nickte. »Ein guter Fahnder erkennt einen alten Bekannten am Körperbau, an der Körpersprache, der Stimme, der Art, wie er während des Überfalls spricht, an all diesen kleinen Dingen, die man nicht hinter einer Maske verstecken kann.«
»Aber es reicht nicht zu wissen, wer es ist«, fügte Ivarssons Vize Didrik Gudmundson hinzu. »Wir brauchen …«
»Genau«, unterbrach ihn Ivarsson. »Wir brauchen Beweise. Ein Bankräuber kann ruhig seinen Namen vor der Kamera buchstabieren – solange er maskiert ist und wir keine Indizien haben, hilft uns das gar nichts.«
»Und wie viele von den sieben, die ihr kennt, werden verurteilt?«, fragte Weber.
»Einige«, antwortete Gudmundson. »Auf jeden Fall ist es besser zu wissen, wer einen Überfall begangen hat, auch wenn sie frei herumlaufen. So lernen wir etwas über ihre Muster und Methoden. Und kriegen sie beim nächsten Mal.«
»Und wenn es kein nächstes Mal gibt?«, fragte Harry. Er bemerkte, wie die dicken Adern unmittelbar über Ivarssons Ohren anschwollen, als er lachte.
»Lieber Mordexperte«, sagte Ivarsson, noch immer lachend. »Wenn Sie sich umsehen, werden Sie bemerken, dass die meisten wegen Ihrer Frage lächeln. Weil nämlich ein Räuber nach einem gelungenen Coup immer – immer – wieder zuschlägt. Das ist gleichsam die Schwerkraft des Raubes.« Ivarsson blickte aus dem Fenster und gönnte sich noch ein Lachen, ehe er abrupt auf dem Absatz kehrtmachte.
»Wenn wir jetzt mit der Erwachsenenbildung fertig sind, können wir uns
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