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Die Fährte

Die Fährte

Titel: Die Fährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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was ist das für ein Programm?«
    »Gyrus fusiforme.«
    »Microsoft, Apple?«
    Harry klopfte sich mit dem Finger auf seine feuerrote Stirn. »Allgemeines Programm. Sitzt im Temporallappen des Gehirns und hat einzig die Funktion, Gesichter wiederzuerkennen. Mehr tut es nicht. Es ist der Teil des Gehirns, der uns befähigt, Hunderttausende von menschlichen Gesichtern zu unterscheiden, aber nur knapp ein Dutzend Nashörner.«
    »Nashörner?«
    Harry kniff die Lider zusammen, damit ihm der brennende Schweiß nicht in die Augen lief. »Das war ein Beispiel, Halvorsen. Aber Beate Lønn ist sicher ein Sonderfall. Ihr Fusiform hat wohl ein paar Extrawindungen, was sich dahingehend äußert, dass sie sich an beinahe alle Gesichter erinnert, die sie in ihrem Leben gesehen hat. Und damit meine ich nicht nur solche, die sie kennt oder mit denen sie gesprochen hat, sondern auch die Gesichter hinter den Sonnenbrillen, die ihr irgendwo vor fünfzehn Jahren auf der Straße entgegengekommen sind.«
    »Du machst Witze.«
    »Von wegen.« Harry senkte seinen Kopf und bekam wieder genug Luft, um weiterzureden: »Man kennt nur wenige Hundert Fälle wie sie. Didrik Gudmundson sagte, sie habe auf der Polizeischule einen Test über sich ergehen lassen, in dem sie sämtliche bekannten Identifikationsprogramme geschlagen hat. Die Frau ist eine wandelnde Gesichtskartothek. Wenn sie dich fragt, ›Wo hab ich dich schon mal gesehen?‹, kannst du davon ausgehen, dass das kein Versuch ist, dich anzubaggern.«
    »Wahnsinn. Und was macht sie bei der Polizei? Mit einem solchen Talent, meine ich.«
    Harry zuckte mit den Schultern. »Du erinnerst dich vielleicht an den Beamten, der in den Achtzigern bei einem Überfall in Ryen erschossen worden ist?«
    »Das war vor meiner Zeit.«
    »Er befand sich rein zufällig in der Nähe, als die Meldung kam, und da er als Erster am Tatort war, ging er unbewaffnet in die Bank, um zu verhandeln. Er wurde mit einer automatischen Waffe niedergemäht und die Bankräuber wurden nie gefasst. An der Polizeischule galt das später als Beispiel dafür, wie man es nicht machen sollte.«
    »Man soll auf Verstärkung warten, die Räuber nicht konfrontieren und sich selbst, die Bankangestellten und auch die Täter nicht unnötig in Gefahr bringen.«
    »Richtig, so steht es in den Lehrbüchern. Das Merkwürdige war aber, dass er einer der erfahrensten und besten Ermittler war, die sie hatten. Jörgen Lønn. Beates Vater.«
    »Ach so. Und du meinst, dass sie deshalb zur Polizei gegangen ist? Wegen ihres Vaters?«
    »Vielleicht.«
    »Ist sie hübsch?«
    »Sie ist schlau. Wie weit?«
    »Gerade bei 24, noch sechs. Und du?«
    »22. Ich werd dich noch einholen.«
    »Dieses Mal nicht«, sagte Halvorsen und trat in die Pedale.
    »Doch, denn jetzt kommt der Gegenhang. Und da gebe ich Gas. Und du wirst nervös und verkrampfst, wie üblich.«
    »Dieses Mal nicht«, sagte Halvorsen und trampelte noch fester. Ein Schweißtropfen kam am Haaransatz zum Vorschein. Harry lächelte und beugte sich über den Lenker.
     
    Bjarne Møller starrte vom Einkaufszettel, den ihm seine Frau mitgegeben hatte, auf das Regal, in dem er Koriander zu finden hoffte. Margrete hatte sich letzten Winter während der Ferien in Phuket in die thailändische Küche verliebt, doch der Chef des Dezernats für Gewaltverbrechen war noch nicht ganz vertraut mit den verschiedenen Gemüsesorten, die jeden Tag per Flugzeug von Bangkok an das pakistanische Lebensmittelgeschäft am Grønlandsleiret geliefert wurden.
    »Das da ist grüner Chili, Chef«, sagte eine Stimme dicht hinter seinem Ohr, und Bjarne Møller schnellte herum und blickte in Harrys nasses, feuerrotes Gesicht. »Ein paar davon und ein paar Scheiben Ingwer und du kannst Tom-Yam-Suppe kochen. Da fliegen dir die Ohren ab, aber du schwitzt gut was aus.«
    »Du scheinst das ja gerade probiert zu haben, Harry.«
    »Bloß ein kleines Fahrradrennen mit Halvorsen.«
    »Ah so. Und was hast du da in der Hand?«
    »Japone. Eine kleine rote Chili.«
    »Wusste gar nicht, dass du kochst.«
    Harry blickte leicht verwundert auf die Tüte mit der Chilischote, als sei das auch für ihn neu. »Übrigens gut, dass ich dich treffe, Chef. Wir haben ein Problem.«
    Møller spürte, wie seine Kopfhaut zu jucken begann.
    »Ich weiß nicht, wer beschlossen hat, dass Ivarsson die Ermittlungen im Falle des Mordes im Bogstadvei leiten soll, aber das funktioniert nicht.«
    Møller legte den Einkaufszettel in seinen Korb. »Wie lange

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